Wirtschaft
anders denken.

Steuerbetrug durch Konzerne? Halb so wild!

06.05.2016
Ein iPhone mit diversen AppsFoto: Margaux-Marguerite Duquesnoy / Flickr CC-BY 2.0 LizenzApple meldet Gewinnrückgang - trotz all der "Dinge, ohne die wir nicht leben können".

»Steuervermeidung«, »Spartrick« – wenn Konzerne die Gesellschaft um Milliarden betrügen, muss man sich nicht aufregen, findet die Süddeutsche Zeitung.

Der Wirtschaftsteil einer Zeitung ist nur selten ein gutes Aushängeschild. Das gilt ziemlich oft auch für die Süddeutsche Zeitung. Auch wenn man ihr gar nicht genug danken kann für die Aufbereitung der Panama Papers.

Am 4. Mai wird unter der Überschrift »Absturz mit Folgen« die Situation von Apple beleuchtet. »Vieles deutet darauf hin, dass Apple den Zenit überschritten hat«, schreibt die Zeitung. Die Apple-Aktie habe enttäuschende Ergebnisse präsentiert und verzeichne den ersten Gewinnrückgang seit 13 Jahren. Die AnalystInnen stuften Apple nach unten.

Miese Löhne, hohe Gewinne? Ist kein Thema

»Natürlich spricht nach wie vor auch einiges für Apple: Gut zehn Milliarden Dollar Gewinn macht das Unternehmen im Quartal. Die Kapitalreserven sind riesig, auch wenn sie im Ausland liegen und die ›Heimholung‹ hohe Steuerzahlungen auslösen dürfte.« Soweit so gut. Man muss sich über die »Heimholung« von Geld, das irgendwo lagert, um Steuern zu vermeiden, nicht weiter aufregen. Die Zeitung ist also auch nach dieser Feststellung noch ganz beim Unternehmen, das uns wie kaum ein anderes in den vergangenen Jahren eingebläut hat, dass alle schönen Dinge erstens von ihm kommen und zweitens nach spätestens zwei Jahren durch ein neues schönes Ding, das etwas mehr koste, als das vorangegangene, ersetzt werden müssen. Stattdessen steht da: »Immer wieder war es Cooks (derzeitiger Apple-Chef, d.R.) Vorgänger Steve Jobs gelungen, die Welt mit ganz neuen Produkten zum Staunen und sein eigenes Geschäft zum Florieren zu bringen.« Immerhin schreibt der Autor dann, Apple sei schon seit jeher bekannt für seine Show und geschickte Inszenierungen und habe viel heiße Luft produziert.

Stimmt vielleicht nicht ganz: Apple hat unter teilweise miesesten Arbeits- und Lohnbedingungen nicht etwa heiße Luft, stattdessen Luxusgüter und höchste Gewinnmargen produzieren lassen. Nun fehle es, schreibt die SZ, an grundlegenden Neuerungen; zum Schluss zitiert die Zeitung Tim Cook: »Wir werden ihnen (den Menschen) Dinge geben, ohne die sie nicht leben können, von denen sie heute noch nicht wissen, dass sie sie brauchen.«

Über diese unverhohlene Drohung, alle Welt zum Narren halten und zu Deppen machen zu wollen, verliert das Blatt kein Wort. Stattdessen empfiehlt es: »Er muss sich beeilen, die Zeit für Apple läuft ab.« Für kritische Wirtschaftsberichterstattung auch, möchte man hinzufügen.

Steuerbetrug Marke Commerzbank

In der gleichen Beilage unter der Überschrift »Steuertrick sparte Milliarden« ein Text über die Verstrickung unter anderem der Commerzbank in sogenannte Cum-Cum-Geschäfte. Wir erinnern uns? Ein Untersuchungsausschuss versucht gerade zu klären, welchen Schaden die Cum-Ex-Geschäfte angerichtet haben, bei denen InvestorInnen eine Gesetzeslücke ausnutzten und über Jahre doppelt Kapitalertragssteuer kassierten. Cum-Cum wiederum – auch Dividendenstripping genannt – ist eine Form der Achtung! Steuervermeidung. So steht es in den Zeitungen.

Unfälle werden vermieden, Unglücke auch, Krankheiten, Ärgernisse überhaupt. Wir sind meist froh, wenn jemand etwas vermeidet, uns bewahrt vor möglichem Übel. Steuervermeidung also – ja unbedingt. Machen!

Wie die Süddeutsche Zeitung Betrug bagatellisiert

Bereits der Begriff »Steuertrick« in der Überschrift suggeriert, dass wir alles mit einem Augenzwinkern sehen sollten. Tricksen ist nicht schön, aber bitte sehr, auch kein Kapitalverbrechen. Und Milliarden zu sparen, kann ja an sich erst mal was Gutes sein. Oder?

Wie beschreibt die SZ den Trick? »Ausländische Aktionäre müssen auf ihre Dividendeneinnahmen 15 Prozent Steuer zahlen. Um diese Steuer zu umgehen, verleihen sie ihre Aktienpakete kurz vor dem Dividendenstichtag an einen deutschen Investor, der weniger Steuern zahlen muss. Dem Handelsblatt zufolge schwillt das Volumen verliehener Aktien deutscher Unternehmen vor einem Dividendenstichtag bis auf das Neunfache an. Die gesparte Steuer teilen sich beide Partner.«

Von der Begrifflichkeit her ist das alles nicht schlimm. Verleihen ist nichts Böses, sparen ist gut und richtig, sich die gesparte Steuer teilen klingt nett. Warum deutsche InvestorInnen weniger Steuern zahlen müssen als andere, ist keiner weiteren Ausführung wert und eher am Rande wird noch darauf hingewiesen, dass die Commerzbank, die sich der kleinen Tricks befleißigt, ja vor nicht allzu langer Zeit von den SteuerzahlerInnen gerettet worden ist. Aber Schwamm drüber. Jeder macht mal Fehler.

Geschrieben von:

Kathrin Gerlof

OXI-Redakteurin

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