Wirtschaft
anders denken.

Hohe Gewinne, kaum Investitionen: Erhöht die Steuern für Unternehmen!

05.10.2017
Frank Vincentz, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Investitionen der Unternehmen sind niedrig, trotz guter Ertragslage, billiger Kredite, robuster Nachfrage. Schon wird der Ruf nach neuen Steuerentlastungen laut. Doch die erhöhen nur die Profite. Sinnvoller wäre es: die Steuern für Unternehmen zu erhöhen.

Nach der Bundestagswahl wird viel über notwendige Investitionen gesprochen. Irgendwie soll die »Investitionslücke« geschlossen werden – doch wer geht voran, wer bezahlt und was hat das gesellschaftspolitisch für Auswirkungen? Einen »Koalitionsvertrag für Investitionen« fordert zum Beispiel der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK. Ein Ziel: der Erhalt und Ausbau der Infrastruktur. Ein anderes Ziel: »bei der steuerlichen Belastung der Betriebe nachzubessern«. In anderen Worten: Die Gesellschaft möge doch bitte die Voraussetzungen für die Wertschöpfung in Schuss halten, aber bezahlen sollen dafür jene möglichst wenig, die am meisten davon profitieren. Und: Diese Gewinne sind im Schnitt deutlich gestiegen, während die privatem Investitionen im Vergleich dazu weit zurückbleiben.

Fabian Lindner vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat dazu jetzt im »Böckler Impuls« an ein paar Zahlen erinnert: »In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten stiegen die Gewinne der Unternehmen relativ kontinuierlich, ihre Nettoinvestitionen gingen im selben Zeitraum zurück.« Zuletzt hätten die Nettoinvestitionen nur knapp vier Prozent der Gewinne entsprochen, 1991 seien es noch 50 Prozent gewesen. Lindner sieht als Hauptgrund, »dass die Unternehmen zwar auf den Weltmärkten sehr gut verdienen, ihre Kapazitäten aber dennoch nicht so stark ausgelastet sind, dass sich eine Ausweitung der Produktionskapazitäten durch Investitionen lohnen würde«.

Statt Steuern zu senken sollte der Staat selbst investieren

Hier kommt der Ruf nach einer »Nachbesserung« der steuerlichen Belastung der Betriebe wieder ins Spiel – denn dahinter verbirgt sich ganz sicher keine Forderung nach höheren Abgaben. Was aber würde eine Senkung von Unternehmenssteuern bringen? »Weitere Entlastungen bei den Unternehmenssteuern«, so Lindner, würden »nur die Gewinne steigern, aber kaum helfen, die privaten Investitionen zu erhöhen. Statt Steuern zu senken sollte der Staat lieber selbst investieren.«

Die »Süddeutsche Zeitung« hatte schon im Sommer gewarnt: »Deutschland spart sich sein Wachstum kaputt«. Denn: »Die Investitionen der Unternehmen in neue Maschinen, Computer und andere Ausrüstungsgüter sind mickrig, und das seit Jahren schon, trotz der guten Konjunktur. Für eine rosige Zukunft ist das ein Problem, denn Investitionen bestimmen die Produktivität und damit das langfristige Wachstum der Wirtschaft.«

Die Unternehmen würden lieber ihr vieles Geld horten, »und so steigen die einbehaltenen Gewinne über die Jahre kräftig. Das stärkt die Eigenkapitalbasis und macht die Betriebe unabhängiger von den Banken«. Es betoniert aber auch die drastische Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen, denn einen Teil ihrer der Gewinne wird an die Aktionäre ausgeschüttet – die entsprechenden Zahlen erreichen Rekordwerte.

»Wirtschaftspolitisch verursachte Probleme«

Bislang galt die Rede, das größte Investitionshemmnis sei die weltwirtschaftliche Unsicherheit – man verwies auf Donald Trump, drohende Probleme beim Welthandel, Brexit-Folgen und dergleichen. Das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft sagt nun aber: Deutsche Firmen würden »aktuell nicht mehr die weltwirtschaftliche Unsicherheit« als größtes Investitionshemmnis betrachten, sondern »wirtschaftspolitisch verursachte Probleme«. Dazu werden neben den üblichen Faktoren »hohes Regulierungsniveau«, »Energie- und Arbeitskosten« oder »Fachkräftemangel« auch die Unternehmenssteuern genannt.

Laut der Analyse des IW Köln stehen »hohe Unternehmenssteuern« auf der Hitliste der angeblichen Investitionshemmer auf Platz fünf. »Der Anteil der Firmen, die sich aufgrund von hohen Unternehmenssteuern von Investitionen abhalten lassen, lag im Frühjahr 2017 wie auch im Herbst 2014 bei über einem Drittel.« Wobei man differenzieren muss: Die Kölner Unternehmensforscher sehen »ein starkes Gefälle hinsichtlich der Größe«: »Vor allem unter den kleinen Unternehmen beklagen 50 Prozent die hohe Besteuerung als ein starkes Investitionshindernis. Bei den mittelständischen Firmen sind es gut 37 Prozent und bei den Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten 18 Prozent.« Angemerkt wird auch, Deutschland habe »im internationalen Vergleich eine überdurchschnittliche Gesamtsteuerlast der Unternehmen«.

Steuerbelastung sei Ende der 1980er Jahre um die Hälfte gesunken

Das mag sein, richtig ist aber auch: Trotzdem wurde im Gesamtschnitt horrend gut verdient. IMK-Forscher Lindner hat dazu die Zahlen und bringt diese mit dem privaten Investitionsstau in Verbindung: »Mit weiteren Steuerentlastungen lässt sich das nicht beheben, zumal die Steuersätze für Unternehmensgewinne seit Ende der 1980er Jahre schon sehr deutlich von damals 60 Prozent auf heute etwa 30 Prozent gesenkt wurden – deutlich stärker als in anderen Ländern.« Wie die Entwicklung verläuft, ist in diesem IMK-Report nachzulesen (Abbildung 9 auf Seite 12).

Wenn man der Überlegung folgt, dass also der Staat lieber selbst investieren solle, weil niedrigere Steuern für Unternehmen die private Investitionstätigkeit gar nicht anregen, sondern vor allem die Profite steigern, die dann privatisiert werden, liegt es nahe, stattdessen eher eine höhere Besteuerung der Unternehmen in Erwägung zu ziehen.

Erstens, weil dann das Volumen öffentlicher Investitionen mit den Anforderungen Schritt halten könnte, ohne dass unter dem Schlachtruf »Entbürokratisierung« demokratische Mitbestimmung in Genehmigungsverfahren oder bei der Ausschreibung geschliffen werden. Öffentliche Investitionen kommen genauso der Konjunktur zugute, der gesellschaftliche Bedarf steht aber im Vordergrund – nicht das privatwirtschaftliche Renditeziel.

Zweitens, weil es ein Beitrag zur längst drängenden Rück-Umverteilung der einseitig angeeigneten gesellschaftlichen Reichtumsproduktion wäre – möglichst in Verbindung mit höherer Erbschafts- und Vermögensbesteuerung. Die immer weiter auseinander klaffende Schere wird selbst von Institutionen wie dem IWF längst als Bedrohung für (inklusives) Wachstum angesehen.

Und drittens, weil die öffentliche Bereitstellung der Voraussetzungen für die Wertschöpfung, also Infrastruktur und so weiter, weit angemessener als bisher wieder von denen zu tragen ist, die unter dem Strich am meisten davon profitieren. Ein solcher ausgerichteter »Koalitionsvertrag für Investitionen« ist leider nicht zu erwarten.

Geschrieben von:

Svenja Glaser

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