Wirtschaft
anders denken.

Deckname Familie

10.10.2023
Stiftung FamilienunternehmenFoto: CC BY-SA 3.0 von Marco Urban / Stiftung Familienunternehmen

Die »Stiftung Familienunternehmen« klotzt bei der Lobbyarbeit, hat keine Berührungsängste gegenüber der politisch rechten Flanke und ist bislang extrem erfolgreich mit ihrem Tun

»Schrauben Scholz«, »Mustapha Gemüse-Döner« oder die Änderungsschneiderei um die Ecke – die fallen mir noch immer als erstes ein, wenn von »deutschen Familienunternehmen« die Rede ist. Wie beschämend naiv das ist, dran erinnerte mich eine kürzlich in diversen Nachrichtensendungen vermeldete Umfrage. »Zukünftig mehr in China, den USA, Polen oder Indien zu investieren« habe ein Großteil der deutschen Familienunternehmen vor, heißt es da. Und weiter »Die Bürokratie treibt die Familienunternehmen ins Ausland« sagt Rainer Kirchdörfer. Er ist Vorstand der »Stiftung Familienunternehmen« die das ifo-Institut München mit einer Umfrage unter 1200 Familienunternehmen beauftragt hat.

Muss die Änderungsschneiderin jetzt etwa eine Green-Card für die USA beantragen? Ist Indien vielleicht ein aufstrebender, unerschlossener Gemüsedöner-Markt? Und wer ist eigentlich diese Stiftung? Die letzte Frage lässt sich dank Lobbycontrol leicht beantworten: 2002 als gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen gegründet, 2022 aus Gründen der Rechtssicherheit ergänzt um eine nicht gemeinnützige Organisation mit dem Namenszusatz »… und Politik«. Laut eigenen Angaben im Jahr 2022 1,8 Millionen Euro für Lobbyaktivitäten in Deutschland ausgegeben, und zusätzlich noch 200.000 bis 300.000 Euro in Brüssel.

Da gibt es nicht nur Gesprächsrunden in Zusammenarbeit mit Welt oder Süddeutscher Zeitung, sondern auch gezielte Nachwuchs-Arbeit in Form von Kooperationen mit diversen Journalistenschulen. Offenbar mit Erfolg, denn die Stiftungs-Pressemitteilung zur Umfrage wurde überall brav übernommen und in keinen Medien durch kritische Recherche ergänzt. Stattdessen war im Deutschlandfunk ein eigens befragter Unternehmer zu hören, der klagte, es ginge doch nun wirklich zu weit, dass er jetzt noch für die Arbeitsbedingungen »beim Zulieferer vom Zulieferer vom Zulieferer« zur Rechenschaft gezogen werden solle. Schon seltsam, wieso das so schwer sein soll, wenn es den gleichen »Familienunternehmen« doch leichtfällt, über Investitionen in Indien nachzudenken?

Reich und unbesteuert

Das also ist der aktuelle Anlass, aus dem die ewige Bürokratieklage der Unternehmen mit einer neuen Auftragsstudie in die Medien gebracht werden soll: das Lieferkettengesetz. Seit 2023 tatsächlich in Kraft, trotz massiver Lobbyanstrengungen interessierter Kreise. Zu denen zählt unter anderem der eingetragene Verein »Die Familienunternehmer«. Der engagiert sich, vormals unter dem Namen »Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer« schon seit 1949 für Besitzstandswahrung. Allein im Jahr 2022 gab man dafür laut Lobbyregister des Bundestages knapp drei Millionen Euro aus. Um solche Summen stemmen zu können, braucht es zahlungskräftige Vereinsmitglieder, weshalb nur mitmachen darf, wer mindestens eine Millionen Euro Jahresumsatz und 10 Mitarbeiter:innen vorweisen kann. Was immerhin auf rund 400.000 Unternehmen hierzulande zutrifft, aber das sind trotzdem nur 16 Prozent all derjenigen Firmen, die in die Kategorie der winzigen, kleinen und mittelgroßen fallen. Sorry Schraubenhändler, Gemüsedöner, Änderungsschneiderei…

Noch viel exklusiver geht es in der »Stiftung Familienunternehmen (und Politik)« zu, die nach eigenen Angaben von den 500 größten deutschen Familienunternehmen finanziert wird. Wer genau dazu zählt, wird vornehm verschwiegen. Aber die Namen der 42 Kuratoriumsmitglieder sprechen für sich: Von der Basler AG über die Henkel AG, von Honold Logistik über Kärcher-Reinigungsgeräte, Ernst Merck Pharmazeutika, Dr. Oetker, Trumpf und die STIHL Holding. Namen, die allesamt auf international agierende Unternehmensdynastien verweisen, die seit Generationen wachsendes Vermögen, dank maßgeschneiderter Gesetze. Sei es die im Nachhinein als verfassungswidrig beurteilte Erbschaftssteuerreform von 2008 oder die seit Jahrzehnten erfolgreich verhinderte Vermögenssteuer, die beiden Lobbyorganisationen haben sich an jeder Kampagne zum Schutz des eigenen Besitzes erfolgreich beteiligt.

Rechtschaffen rechtsoffen

Dabei hat sich eine Arbeitsteilung bewährt, in der der Verein eher fürs Grobe zuständig ist und beispielsweise die Anhebung des Spitzensteuersatzes für Großverdiener als »fiskalische Sterbehilfe« bezeichnet oder Zuschüsse für CO2-arme Technologien als »planwirtschaftliche Klientelpolitik à la UdSSR«. Die Stiftung sorgt währenddessen in den feineren Kreisen für das richtige Geschäftsklima: Indem sie Institute und Forschungsstellen für Familienunternehmen an mehreren Universitäten finanziert oder auch Studien wie die neulich veröffentliche Umfrage in Auftrag gibt. Praktischerweise sitzen mit Hans-Werner Sinn und Clemens Fuest sowohl der ehemalige wie der gegenwärtige Präsident des Ifo-Instituts im wissenschaftlichen Beirat.

Angesichts dieser geballten unternehmerischen Lobbymacht im Namen eines sehr erweiterten Familienbegriffs sind weitere Angriffe programmiert, auf alles, was der Vermögensmehrung der Besitzenden auch nur ein winziges Steinchen in den Weg zu legen droht. Sei es nun Mindestlohn, seien es Maßnahmen gegen den menschenverursachten Klimawandel oder auch nur die ja keinesfalls systemsprengenden Versuche mit dem »Verantwortungseigentum« in diesem Land eine zusätzliche Unternehmensform zu etablieren.

Beiden Lobbyorganisationen der »Familienunternehmen« gemeinsam ist übrigens ihre wohlwollende Offenheit gegenüber allen im Bundestag vertretenen Parteien – mit Ausnahme der Linken aber einschließlich der AfD. Als Bernd Lucke noch Parteichef war, saß er 2014 auf einem Podium zum »Tag des deutschen Familienunternehmens« und Peer-Robin Paulus, Leiter der Abteilung Politik und Wirtschaft im Familienunternehmer-Verein, verkündete 2013 »Wer eine gute CDU will, muss AfD wählen«. Mathias Lefahrt, damals AFD-Landessprecher Berlin, leitete nach seinem Parteiaustritt 2014 zuerst den Bereich Steuer- und Finanzpolitik der Stiftung, 2015 wurde er Leiter der Berliner Repräsentanz »Haus des Familienunternehmens«, 2018 wechselte er in den Bereich Unternehmensbesteuerung der EU-Kommission. Mittlerweile ist er für die Bundesvereinigung Mittelstand tätig, und zwar in Panama. Dort betreibt er auch ein eigenes Unternehmen namens »Berlin Panama Invest« – möglicherweise hängt das irgendwie mit seinem »ehrenamtlichen Engagement« für die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung zusammen? Hauptsache es bleibt in der Familie, die vielleicht doch besser »Clan« wenn nicht gar »Oligarch« genannt werden sollte.

Geschrieben von:

Sigrun Matthiesen

Journalistin

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