Wirtschaft
anders denken.

Bushs Deasaster, der Solarprotektionismus der EU und was Marx über Trumps Strafzölle gedacht hätte

01.06.2018
U.S. Department of Agriculture / GemeinfreiAluminiumschmelze

Was bringen Strafzölle eigentlich? Die Beschäftigten, die damit angeblich »geschützt« werden sollen, werden die Folgen bitter zu spüren bekommen. Kleiner Überblick zu ein paar Studien über die Folgen des Protektionismus.

Beim Blick in die Zeitungen am Freitag stehen die von Donald Trump verhängten Strafzölle ziemlich weit oben in der Schlagzeilen-Rangliste. Einen guten Überblick hat die »Süddeutsche Zeitung«, auch mit möglichen Weiterungen auf die Autobranche. Der US-Präsident wird von ziemlich vielen Seiten kritisiert – aus der Wirtschaft in den USA, natürlich auch aus Europa. Die »Frankfurter Allgemeine« kommentiert: »Trump verwirklicht mit den Handelsbarrieren sein Wahlkampfversprechen, die alten Industrieregionen Amerikas vor Konkurrenz zu schützen. Die Leute im Rostgürtel sollen dafür belohnt werden, dass sie ihm ins Weiße Haus verholfen haben.«

Und, werden sie belohnt? Ein Blick zurück: »Ich habe heute Schutzmaßnahmen erlassen, die Amerikas Stahlindustrie und ihren Arbeitern helfen sollen, sich auf den großen Zufluss von Stahlimporten aus dem Ausland einzustellen«, so hat es George W. Bush im März 2002 formuliert – und Strafzölle auf ausländische Stahlimporte zwischen acht und 30 Prozent verhängt. Was waren die Folgen?

Das »Handelsblatt« hat die Geschichte unlängst noch einmal in Erinnerung gerufen: Bush habe seinerzeit auch ein Versprechen aus dem Wahlkampf einlösen wollen, die Industriearbeiter im »Rostgürtel«  zu unterstützen. »Das Ergebnis war ein Desaster: Handelspartner wie die Europäische Union reagierten mit Vergeltungsmaßnahmen, die Stahlpreise in den USA stiegen, und Zehntausende Jobs in der stahlverarbeitenden Industrie gingen verloren.« 

Die WTO erklärte die Zölle im November 2003 für illegal. Bis dahin hatten sie aber bereits durchgeschlagen: »Nach Angaben der stahlverarbeitenden Industrie rund 200.000 Jobs gekostet.« Es gibt auch andere Zahlen, aber auch die weisen ein Minus aus: Das Peterson Institute for International Economics bezifferte die Arbeitsplatzverluste netto auf etwa 26.000. Hinzu kam: Die ökonomischen »Vergeltungsmaßnahmen« wirkten. 

Eine Rolle dafür, dass über die 2002er Strafzölle kaum noch gesprochen wird, spielte damals das Wiederanziehen der weltweiten Stahlnachfrage. Das linderte die negativen Auswirkungen. Bush wollte das für sich reklamieren. Noch einmal das »Handelsblatt«: Nach Meinung von Ökonomen wie Gary Hufbauer vom PIIE haben die Schutzzölle die notwendige Konsolidierung jedoch bestenfalls verzögert. Heute arbeiten in der stahlverarbeitenden Industrie der USA 6,5 Millionen Menschen. Dem stehen nur noch rund 140.000 Stahlwerker gegenüber.«

Das Flossbarth von Storch Institut hat den Fall auch untersucht. In Folge der Handelsbarrieren damals »sanken die US-Stahlimporte im Zeitraum zwischen 2002 und 2003 um rund fünf Prozent, sodass das Handelsdefizit der Stahlindustrie um 28 Prozent fiel. Allerdings direkt nach dem der Handelsschutz endete, nahmen Stahlimporte allerdings wieder kräftig zu. Schlussendlich breitete sich das Handelsdefizit der Stahlindustrie auf noch höhere Niveaus als vor dem Protektionismus aus.«

Hinzu kommt: Das, was als »Schutz der Industrie« gedacht war, »führte zu negativen Spillover-Effekten in anderen Teilen der US-Wirtschaft«, also Übertragungseffekten. »Stahl ist ein Kerninput für mehrere andere Industrien. Zusammengerechnet haben die heimischen Stahlverbraucherindustrien im Jahr 2001 einen höheren Mehrwert generiert als die Stahlindustrie selbst und beschäftigten 57 Arbeitskräfte je Stahlindustriemitarbeiter.« Es liege »die Vermutung nahe, dass der Schaden passiert ist, da im Zeitraum des Protektionismus jede der US Stahlverbraucherindustrien einen überdurchschnittlichen Beschäftigungsverlust erlitten hatte«.

Die Warburg-Bank schreibt in einer Wirtschaftsinfo mit Blick auf 2002: »Eine Studie, die sich mit den Auswirkungen dieser Maßnahme beschäftigte, kam zu dem Ergebnis, dass als Folge die Preise für eine Vielzahl von Gütern, für die Stahl als Vorleistungsprodukt verwendet wird, deutlich anstiegen. Unternehmen, die den teureren Stahl als Zwischenprodukt einkaufen, haben zwei Möglichkeiten. Entweder sie tragen die höheren Kosten selbst, dann verringert sich die Gewinnmarge und die Firmen laufen Gefahr, Pleite zu gehen«, so die Bank. »Dies betrifft vor allem kleine Unternehmen, die über wenig oder keine Preissetzungsmacht verfügen. Können die stahlverarbeitenden Unternehmen dagegen die höheren Vorproduktpreise an ihre Kunden weitergeben, so verlagert sich das Problem der höheren Kosten auf diese Firmen bzw. auf den Endkunden.«

Noch ein Beispiel, denn auch die Europäische Union, die jetzt so gegen Strafzölle wettert, hat solche schon verhängt – 2013 auf chinesische Solarimporte. Das Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos hatte bereits im Vorfeld im Auftrag der Allianz für Bezahlbare Solarenergie die Auswirkungen untersucht. Ergebnis: Die Zölle kosteten »viele Arbeitsplätze und fügen den europäischen Volkswirtschaften entlang der gesamten Photovoltaik-Wertschöpfungskette enormen Schaden zu«. Hier gibt es einen Hintergrund zu den EU-Strafzöllen.

Strafzölle würden »die Exporte von Zwischenprodukten wie Rohmaterialien und Produktionsanlagen von Europa nach China« belasten, hieß es hier dazu. »Außerdem führen sie zu einem beträchtlichen Nachfragerückgang nach Solarprodukten und dadurch zu weniger Installations- und Serviceleistungen.« Auch der Informationsdienstleister für Wirtschaftsdaten IHS kam damals »zu dem Schluss, dass Zölle in Höhe von 45 Prozent den deutschen Markt um knapp 2 Gigawatt reduzieren würden, das heißt um mehr als 25 Prozent der im Jahr 2012 in Deutschland installierten Kapazität«. Die Strafzölle wuchsen damals auf durchschnittlich 47,6 Prozent.

Zurück zu den USA und den Strafzöllen aus Aluminium und Stahl. Warburg hat im März prognostiziert, »beschließt US-Präsident Trump neue Einfuhrzölle, könnten Schätzungen zur Folge dadurch zwar 10.000 bis 15.000 neue Stellen in der Stahl- und Aluminiumindustrie entstehen, gleichzeitig dürften in anderen Branchen rund 50.000 bis 60.000 Arbeitsplätze wegfallen. Käme es zu Vergeltungsmaßnahmen anderer Staaten, könnten sogar 100.000 bis 150.000 Stellen in der US-Industrie verloren gehen«.

Lisa Nienhaus hat auf Zeit online unlängst bei dem Thema Protektionismus einen Bogen zu Karl Marx geschlagen. »Lebte er heute, wie würde er Donald Trump verspotten, wenn dieser umgeben von Stahlarbeitern Strafzölle auf Stahl verhängt! Trump will damit sagen: Schaut her, ich tue etwas für die Arbeiter, ich schütze sie! Karl Marx aber, der in einer Zeit lebte, da Zölle und auch Strafzölle ein gängiges Instrument waren, wusste: Damit wird zuallererst eine Industrie geschützt und die dahinterstehenden Eigentümer der Firmen, die Kapitalisten. Ob Zölle wirklich auch den einfachen Arbeitern helfen, ist nicht so klar und hängt sehr vom Einzelfall ab. In der Gesamtrechnung jedenfalls gilt das nicht.«

Im Jahr 2016 hatte eine Studie des ifo-Instituts ergeben, dass sich »ein Handelskrieg der USA …gegen das Land selbst kehren« würde. Die Berechnungen zielten damals auf eine umfassendere Abschottung mit Strafzöllen und anderen Barrieren, die Trumpf öffentlich erwogen hatte. »Die Wirtschaftsleistung würde bis zu 9,3 Prozent fallen, wenn die USA Importzölle von 45 Prozent und nicht-tarifäre Barrieren von 15 Prozent gegenüber allen Handelspartnern erheben würden, und diese mit denselben Waffen zurückschlagen würden. Ein solches Szenario, wie von Donald Trump erwogen, würde die USA in einen Zustand der Autarkie versetzen«, sagte damals der Welthandelsexperte Gabriel Felbermayr.

Vor eine Jahr war in einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft darauf verwiesen worden, dass US-Firmen mit hohen Direktinvestitionen im europäischen Binnenmarkt engagiert seien – auf sie würde ein solcher Handelskonflikt selbst stark zurückwirken. Damals hatten die Forscher nicht unbedingt mit einer Zuspitzung gerechnet, unter anderem, weil die Kapitalverflechtung so stark ist. »Gemessen an der Investitionstätigkeit ist der europäische Binnenmarkt für US-Unternehmen der wichtigste ausländische Wirtschaftsraum«, wurde damals der Ökonom Stefan Kooths zitiert. Die Umsätze der im EU-Binnenmarkt engagierten Firmen, die mehrheitlich im Eigentum von US-Muttergesellschaften stehen, übertreffe demnach mit über 2,5 Billionen Dollar die US-Exporte in die EU mit 500 Milliarden US-Dollar um das Fünffache.

Damals war man unter anderem von Strafzöllen auf Autoimporte ausgegangen. Wie Reuters meldete, war eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger zu dem Ergebnis gekommen, dass davon die Autobranche auf beiden Seiten des Atlantiks getroffen würde: »Im besten Fall werden die angekündigten Zölle zum Nullsummenspiel. Wahrscheinlicher sind jedoch ein massiver Druck auf die Margen der Hersteller, sinkende Verkaufszahlen und dadurch ein langfristiger Stellenabbau in der amerikanischen Autoindustrie«, so Wolfgang Bernhart.

Noch ein paar Links zum Thema

Trumps Erlass über Strafzölle auf Aluminium – hier
Trumps Erlass über Strafzölle auf Stahl – hier
Die Reaktion der EU-Kommission – hier
»Es gibt zu viel von allem«, schreibt Stephan Kaufmann im Freitag
»Wo Trump Recht hat«: Guido Speckmann über Freihandel als Ideologie
Ferdinand Fichtner vom DIW über die Strafzölle – hier
Michael Hüther vom IW Köln zu den Strafzöllen – hier

Foto: U.S. Department of Agriculture / Gemeinfrei

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