Systematisch benachteiligter Osten? Linkspartei schreibt »Aktionsplan«
Es geht um »Lebensleistung«, Breitbandprobleme und Ostkompetenz: Die Linkspartei will mit einem »Aktionsplan Ost« zu »Überwindung der innerdeutschen Spaltung« punkten. Kritisiert wird auch, dass zu wenig Bundeseinrichtungen in Ostdeutschland angesiedelt werden.
Die Linkspartei will mit einem »Aktionsplan Ost« zu »Überwindung der innerdeutschen Spaltung« punkten. Die Fraktionsvorsitzenden aus Bundestag und den Ländern hätten sich in Erfurt bei einem zweitägigen Treffen »über die Probleme und Möglichkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern« verständigt, heißt es. Die Bundesrepublik sei »weiterhin sozial, ökonomisch und kulturell zwischen Ost und West gespalten. Die Fakten in den Bereichen Einkommen, Altersarmut oder Kinderarmut belegen das«, wird Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch zitiert.
Von einem »umfänglichen Aktionsplan Ost für das Jahr 2018« spricht die Thüringer Linksparteichefin Susanne Hennig-Wellsow – dieser sei von den »Vorsitzenden der ostdeutschen Landtagsfraktionen« erarbeitet worden. Der Plan sei ein »schlüssiger Vorschlag, um die Benachteiligung der Menschen in den neuen Bundesländern abzubauen und zu beenden.« Vor allem dort, wo die Linkspartei mitregiert – in Thüringen, Brandenburg und Berlin – wolle man »die Möglichkeiten für ein ›Zukunftsprojekt Ostdeutschland‹ aufzeigen«.
Mit dem Thema Osten die GroKo kritisieren
Mit dem 19-seitigen »Aktionsplan«, der OXI vorliegt, geht es der Linkspartei natürlich auch darum, auf dem Feld der Ostkompetenz wieder etwas Raum zu gewinnen. Das Papier nimm eingangs den »neuen Ostdeutschland-Diskurs« auf, der unter anderem die AfD-Wahlerfolge als vornehmlich »ostdeutsches Skandalon« zuspitzt, wobei es in Wahrheit um vielschichtige Veränderungen geht, unter anderem an neuen sozialen Bruchlinien wie der zwischen Befürwortern/Gewinnern und Skeptikern/Verlierern von Modernisierungsprozessen wie den unter Stichworten wie Globalisierung oder Digitalisierung firmierenden Umwälzungen in Produktionsverhältnissen, Überbau und letzten Endes auch Alltagskultur.
Daraus sollen nun neue strategische Schlussfolgerungen gezogen werden – eben auch im Sinne des Statuserhalts als linke Volkspartei im Osten. Dieser Politikbereich, so hatte es aus der Partei in den vergangenen Monaten immer mal wieder geheißen, müsse wieder stärker in den Vordergrund – sowohl um die Konkurrenz anderer Parteien auf Distanz zu halten als auch angesichts der zurückgehenden Wahlerfolge der Linkspartei in den als »neu« bezeichneten Ländern.
»Gerade vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Fortsetzung der Politik der Großen Koalition, die auf ostdeutsche Problemlagen vor allem mit Ignoranz reagiert, gilt es, soziale Gerechtigkeit durch konkrete und glaubwürdige Angebote zu untersetzen«, heißt es nun. »Das bedeutet, dass wir eine Renaissance des Sozialstaats brauchen und eine Renaissance der öffentlichen Daseinsvorsorge.«
Die allerdings wäre keine ostdeutsche Angelegenheit. Und so verweist Hennig-Wellsow gegenüber der Deutschen Presse-Agentur auch auf eher ideelle Aspekte: Man wolle mit dem »Aktionsplan Ost« das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen stärken. Es gehe um Respekt vor und Anerkennung der »Lebensleistung der Menschen in Ostdeutschland«.
Das Leben habe im Osten nicht erst 1989 begonnen. Ostdeutsche sollten »in allen Lebensbereichen bis hin zur Bundesregierung vertreten sein, um ihre Belange vertreten zu können«, schreibt die Agentur – ein Fingerzeig unter anderem auf die Debatte um die Besetzung der Regierungsämter fast ohne Ostdeutsche. Auch gehe es darum, so Hennig-Wellsow, Renten- und Löhne an das Westniveau anzugleichen. Eine alte Forderung der Linkspartei. Der Deutschlandfunk meldet, in dem Aktionsplan gehe es auch um mehr Investitionen in digitale Infrastruktur, zum Beispiel für Breitband-Internet-Verbindungen in ländlichen Regionen. Außerdem hat die Linkspartei ihre wohnungspolitischen Forderungen erneuert.
Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit reparieren
Die Thüringer Linkspolitikerin spricht mit der Lebensleistung ein Thema an, das im Wahlkampf kurz eine Rolle spielte – da auch vor allem von der SPD bespielt. »Wir brauchen eine symbolische und ehrliche Aufarbeitung der Nachwendezeit«, so hatte es die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping seinerzeit formuliert. Und was der Sozialdemokratin dabei vor allem im Sinn stand, sagte sie auch: Es gehe »gerade« um die Treuhandanstalt. Nur so ließen sich »die Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit reparieren«.
Die SPD hat derzeit offenbar anderes im Sinn als das Thema Osten noch einmal oder überhaupt auf die Vorderbühne zu schieben. Im Koalitionsvertrag ist zwar von »besonderen Herausforderungen in Ostdeutschland« die Rede, die »als gesamtdeutscher Auftrag« anerkannt werde. Viel mehr steht dann aber zu den neuen Ländern nicht.
Schon nach Vorlage des Entwurfs der Regierungsvereinbarung hatte dies der Linksfraktionsvize Jan Korte mit den Worten kritisiert, »für die Ostdeutschen ist die GroKo eine Katastrophe.« Verbessern werde sich hier nichts. »Statt den Osten mit einem eigenen Ost-Ministerium endlich zur Chefsache zu erklären, frühstücken ihn SPD und Union im Koalitionsvertrag unter dem Stichwort »ländliche Räume« ab«, wurde Korte zitiert. »Von einer Angleichung der Löhne oder von Rentengerechtigkeit ist weit und breit nichts zu sehen.« Themen wie das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse werde in eine Kommission ausgelagert und somit erneut verschoben.
Bundestagsbeschluss seit 26 Jahren systematisch unterlaufen
Eine Aufarbeitung der Nachwendezeit wird man von Union und SPD auch nicht erwarten dürfen. Das fordert nun aber erneut die Linkspartei: Es gehe darum, »dass die wirtschaftlichen, politischen und vor allem auch rechtlichen Weichenstellungen eingehend untersucht werden, die seit 1989/90 für den Transformationsprozess in Ostdeutschland ausschlaggebend gewesen seien«, so formuliert es die Deutsche Presse-Agentur. Hennig-Wellsow kann sich dafür eine Enquete-Kommission im Bundestag vorstellen. So stand es auch im Wahlprogramm der Linkspartei.
Dieser Tage war außerdem bekannt geworden, dass der Osten bei der Ansiedlung von Bundeseinrichtungen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen benachteiligt wird. Über eine entsprechende Regierungsantwort berichtete die »Mitteldeutsche Zeitung« – danach sind in den Jahren 2014 bis 2017 von 23 neuen Bundeseinrichtungen und vom Bund finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen nur drei in den neuen Ländern angesiedelt worden. Berlin wird in dieser Rechnung nicht dazugezählt. Die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch kritisierte, CDU/CSU und SPD würden den Osten hier »systematisch benachteiligen«. Dies stehe in Widerspruch zu einem Bundestagsbeschluss von 1992, in dem eine »annähernd ausgewogene Verteilung von Bundeseinrichtungen und -institutionen über alle Länder« angepeilt worden war. Dies werde »seit 26 Jahren systematisch unterlaufen«, so Lötzsch.
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