Wirtschaft
anders denken.

Tödliche Waldbrände, Kritik an DIW-Papier, Steuereinnahmen unter den Erwartungen

24.07.2018
Grafik: Common.eG

Die Waldbrände nahe Athen fordern viele Opfer, die Feuer haben »für viele Griechen existenzbedrohende Ausmaße angenommen« +++ Eine Studie des DIW zur Wirtschaft in Griechenland stößt hierzulande auf Kritik +++ Ersten Zahlen zufolge liegen die Steuereinnahmen vom Mai klar unter den Erwartungen.

Brände fordern viele Opfer

Die schweren Waldbrände rund um die griechische Hauptstadt Athen haben viele Opfer gefordert – und noch ist das Ausmaß der Feuer und deren Folgen gar nicht abzusehen. »In der Hafenstadt Rafina drangen die Flammen bis in den Stadtkern hinein. Tausende Menschen flohen aus der Region. Hunderte retteten sich vor den Flammen ins Meer«, berichtet die »FAZ«. Viele Opfer soll es auch in Mati gegeben haben. Das Blatt schreibt, die Brände hätten »für viele Griechen existenzbedrohende Ausmaße angenommen«. Der Chef des griechischen Zivilschutzes, Giannis Kapakis, sagte, es sei das »schlimmste Szenario eingetreten«. Die Brände würden in einem dicht mit Pinien bewaldeten Gebiet wüten, in dem es überall Ferienhäuser gibt. Laut der Nachrichtenagentur ANA hat Premier Alexis Tsipras einen Besuch in Bosnien wegen der Brände abgebrochen. Er wird mit den Worten zitiert, es komme »jetzt vor allem darauf an, Leben zu schützen«. Es wurde der Verdacht geäußert, Brandstifter hätten die Feuer gelegt. Auch Armee und Marine wurde zur Rettung von eingeschlossenen Menschen mobilisiert.

DIW-Papier in der Diskussion

Eine Kurzstudie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die die Potenziale der griechischen Wirtschaft weiterhin »brachliegen« sieht, sorgt hierzulande für kritische Reaktionen. »In der Analyse des DIW dominiert weiterhin exemplarisch das in der Bundesrepublik im Krisenverlauf etablierte ideologische Narrativ, Griechenland sei reformunwillig oder reformunfähig; mit diesen Behauptungen wurden die desaströsen sozioökonomischen Folgen der Berliner Austeritätspolitik in dem Mittelmeerstaat rationalisiert«, so das Portal German Foreign Policy. Die »insbesondere vom ehemaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble oktroyierten ›Sparprogramme‹ haben in dem Land immer wieder neu eine verheerende deflationäre Abwärtsspirale angefacht, von der es sich in absehbarer Zeit kaum erholen wird. Dabei führen die verordneten Kürzungs- und Sparmaßnahmen zu einem Einbruch der Binnennachfrage, zu Rezession und wachsender Arbeitslosigkeit, was wiederum die staatlichen Steuereinnahmen schrumpfen lässt und zugleich die Sozialausgaben erhöht.« Das DIW fordere nun weitere Deregulierungsmaßnahmen, kritisieren die Autoren.

Die dazu passende Meldung lautet: Der Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, Klaus Regling, hat die griechische Regierung erneut deutlich gewarnt, dass die im vergangenen Monat beschlossenen Entschuldungsmaßnahmen ausgesetzt werden, wenn Athen vom Reformkurs abweiche. So berichtet es »Kathimerini«. 

»Die wirtschaftlichen Bedingungen haben sich zwar verbessert, sind aber nicht gut genug. Es rächt sich, dass die Gläubiger einen brutalen Sparkurs erfolgreich durchgesetzt, die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum aber vernachlässigt haben«, schreibt Stephan Kaufmann in der »Frankfurter Rundschau«. Bis zum Jahr 2060 sei »Griechenland von seinen Gläubigern in ein eisernes Sparkorsett gezwungen worden, um die Schuldenbedienung zu sichern. DIW-Forscher Alexander Kritikos erwartet daher für die Zukunft ›einen nur kraftlosen Erholungsprozess‹. Statt auf eiserne Konsolidierung hätten die Gläubiger sich besser auf eine Verbesserung der allgemeinen Produktionsbedingungen konzentrieren sollen. ›Dann hätte man sich einen Teil der vielen Ausgabenkürzungen sparen können‹«, heißt es zur DIW-Studie in der FR.

Im »nd« wird dazu formuliert, »als Haupthemmnis sehen die DIW-Experten nicht etwa die hohen Schulden oder die Austeritätspolitik an, sondern das Ausbleiben ›angebotsorientierter Strukturreformen‹«. Einen Einwurf der Zeitung, »dass es vor allem der massive Nachfrageeinbruch durch stark gesunkene Löhne, gekürzte Renten und massiv erhöhte Steuern sowie ausbleibende staatliche Investitionen seien, die mögliche Investoren und Firmengründer abschreckten, lässt Kritikos nicht gelten. Nach seiner Meinung leidet Griechenland unter einer Strukturkrise, die nicht 2008, sondern schon 2003 begann, als immer mehr Innovatoren aus Frust über die Zustände das Land verließen. Und die Perspektive, so sein Credo, liegt weniger in der Binnenwirtschaft als in höheren Exporten.« Letztlich würden »aber auch die DIW-Forscher die mangelhaften Staatsausgaben« kritisieren: »Während in nordeuropäischen Länder, wie von der EU empfohlen, drei Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung ausgeben werden, war es in Griechenland unter der Troika-Haushaltshoheit zuletzt gerade mal ein Prozent.«

Steuereinnahmen unter den Erwartungen

In Athen sorgen neueste Zahlen über die Steuereinnahmen für Sorgenfalten. Laut dem zuständigen Finanzministerium zeige eine Analyse der Mai-Eingänge, »dass alle Haupteinnahmequellen ihr Ziel verfehlt haben, was den Haushaltssaldo gefährdet«, so die Zeitung »Kathimerini«. Aus direkten und indirekten Steuern wurden in dem Monat 3,06 Milliarden Euro eingezogen – »9,84 Prozent weniger als im Mai 2017 und 3,15 Prozent unter dem Budgetziel«. Zwar liegen die Einnahmen in der Summe der bisherigen Monate des Jahres 2018 »noch leicht über dem Ziel, doch ist der Trend zu einem Rückgang gegenüber den Vorjahren deutlich«, so die Zeitung. Zur Begründung verweist sie auf den Rückgang der Steuereinnahmen bei Selbständigen, »von denen einige ihre Bücher seit dem letzten Jahr geschlossen haben, um die hohen Steuern und hohen Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden«.

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