Wirtschaft
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Tsakalotos will von Europa Partnerschaft statt Kontrolle: Finanzminister pocht auf Schuldenerleichterung

13.06.2018
Grafik: Common.eG

Efklidis Tsakalotos ist Finanzminister in Griechenland – und hat die Nase voll von der Kontrolle durch die Gläubiger. Zu den Auflagen des Kreditprogramms sagt der SYRIZA-Politiker: »Wir haben es durchgestanden und wollen es nicht noch einmal erleben.« Derweil wird auf neue Analysen der Schuldentragfähigkeit gewartet.

Der griechische Finanzminister Efklidis Tsakalotos hat die Gläubiger des Landes aufgefordert, die gravierende politische Einflussnahme, die es in den vergangenen Jahren über die Auflagen der Kreditprogramme gab, zu beenden. Gegenüber Zeit online sagte der SYRIZA-Politiker, »Europa sollte nicht über Kontrolle funktionieren. Man kann die Dinge in einer Krise kontrollieren, aber irgendwann muss man sagen: Die Krise ist vorbei, und jetzt ist es Zeit, von Kontrolle zu Partnerschaft überzugehen. Die Menschen in Griechenland werden wieder ihre Selbstbestimmheit erlangen. Das ist sehr wichtig.«

Tsakalotos äußert sich in dem Gespräch unter anderem über das bevorstehende Ende des dritten Kreditprogramms und die Frage der Rückkehr Griechenlands an den Kapitalmarkt. Mit Blick auf die Trubulenzen der Regierungsbildung in Italien sagte der Ökonom, »kurzfristig sind die Renditen auf griechische Staatsanleihen gestiegen, sodass es für uns tatsächlich schwieriger wird, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Aber ich erwarte nicht, dass dies ewig so weitergeht. Unsere Experten der staatlichen Schuldenagentur können am besten beurteilen, wann die Konditionen angemessen sind, um sich am Kapitalmarkt wieder Geld zu leihen. Sie haben das bisher auch schon erfolgreich getan. Außerdem verfügen wir über einen Puffer für unseren Finanzbedarf.«

Zur von den Gläubigern verlangten Erfüllung der umstrittenen Auflagen, die als Anpassungsprogramm bezeichnet werden, unter kritischen Ökonomen allerdings viel Ablehnung erfahren, in Griechenland seit Jahren Massenproteste hervorrufen und auch die linke SYRIZA in schwere Kontroversen führten, sagte Tsakalotos: »Jeder erkennt inzwischen an, dass Griechenland eine große Zahl an Reformen in sehr vielen Bereichen umgesetzt hat. Wer das infrage stellt, hat nicht mitbekommen, was in Griechenland geschehen ist.« Die vergangenen Jahre bezeichnete er als einen »Lernprozess. Wir wissen, was 2008 geschehen ist, als alles begann. Wir haben es durchgestanden und wollen es nicht noch einmal erleben«. Das absehbare Ende des Kreditprogramms sei »ein Wendepunkt für uns«.

Eurogruppe »zur Schuldenerleichterung verpflichtet«

Allerdings sind viele Fragen noch offen, nicht zuletzt die einer möglichen Nachprogramm-Überwachung und der Schuldenerleichterungen. In Richtung des deutschen Finanzminister sagte Tsakalotos, »Olaf Scholz weiß, dass es eine Stellungnahme der Eurogruppe vom Juni 2017 gibt, die sehr eindeutig ist und sich zu einer Schuldenerleichterung verpflichtet, damit Griechenland nach Ende des Rettungsprogramms wieder an den Kapitalmarkt gehen kann.« Dies könne auch nicht durch ein mögliches Nein des Internationalen Währungsfonds zum (späten) Einstieg in das dritte Kreditprogramm aus der Welt geschafft werden. Die Eurogruppe habe »klargemacht, dass sie Griechenland helfen will, an den Kapitalmarkt zurückzukehren – unabhängig von einer Beteiligung des IWF«, so Tskalotos.

Bei einem Treffen der Eurogruppen-Arbeitsgruppe am 7. und 8. Juni 2018 in Paris wurden informierten Kreisen zufolge »die Beratungen zu mittelfristigen Schuldenmaßnahmen fortgeführt, ohne dass konkrete Ergebnisse erzielt wurden«. Derzeit orientiere sich »die Debatte über Schuldenmaßnahmen an den im Mai 2016 von der Eurogruppe festgelegten und im Juni 2017 näher definierten Optionen«. Darunter fallen eine mögliche Anpassung am EFSF-Kreditprofil, die Ablösung hochverzinster IWF-Kredite Griechenlands, wozu angemerkt wird, dass diese insbesondere von Frankreich unterstützte Option »jedoch auf scharfe Kritik einiger Mitgliedstaaten« stoße, und eine Ausreichung zusätzlicher Mittel von eventuell bis zu 4 Milliarden Euro aus dem bisherigen Anpassungsprogramm für den Aufbau eines Liquiditätspuffers.

Neue Schuldentragfähigkeitsanalysen erwartet

In den kommenden Tagen werden neue Schuldentragfähigkeitsanalysen des IWF, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission erwartet. Wie aus weiter heißt, könnte »informellen Informationen zufolge … die diesjährige Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF positiver ausfallen«. Während die Eurogruppe in der Vergangenheit einen Primärüberschuss Griechenlands für den Zeitraum 2018 bis 2022 von jährlich 3,5 Prozent des BIP erwartet hat, prognostizierte der IWF stets einen um mindestens 1,2 Prozentpunkte niedrigeren Primärüberschuss. Für das vergangene Jahr hatte Athen einen Budgetüberschuss ohne Kosten für den Schuldendienst zwischen 3,5 und 4,0 Prozent der Wirtschaftsleistung gemeldet.

Die zweite Hürde vor dem Ende des Kreditprogramms: die so genannte Nachprogramm-Überwachung. Hierzu hat die EU-Kommission vorgeschlagen, »Griechenland der in den so genannten Two Pack-Verordnungen vorgesehenen verstärkten Überwachung zu unterziehen. Diese enthält zwar nicht die Zwänge des Anpassungsprogramms, ist jedoch stringenter als die Aufsicht bisheriger Programmländer, wie Portugal und Irland. Die verstärkte Überwachung sieht regelmäßige Überprüfungsberichte der Kommission im Benehmen mit der EZB über die Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Finanzen des betroffenen Mitgliedstaats vor. Das Land verpflichtet sich im Vorfeld, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um dem übermäßigen Defizit entgegenzuwirken. In der Überwachung sind neben der Kommission, die üblichen Programminstitutionen EZB, IWF sowie ESM im Rahmen seines Frühwarnsystems ebenfalls involviert.«

Je nach dem, wie hier die Entscheidung ausfällt, könnten auch die anderen europäischen Länder und Griechenland selbst auf die Barrikaden gehen. SYRIZA pocht darauf, dass es kein neues Kreditprogramm gibt, vor allem aber keine neuen Memoranden. Dies auch mit Blick auf die in Griechenland bevorstehenden Wahlen. Auf der anderen Seite wollen einige Eurostaaten Athen weiterhin an der kurzen Leine führen. »Die Modalitäten der Überwachung werden auf der Sitzung der Eurogruppe am 21. Juni 2018 erörtert«, heißt es.

Wachstumsstrategie: »Kein Wunschdenken«

Apropos Zukunft: Tsakalotos verwies gegenüber Zeit online auch auf die Pläne von SYRIZA für die mittlere Wachstumsstrategie. Diese war vor wenigen Tagen vorgelegt worden. Im Kern zielen diese politischen Ziele auf einen Wachstumspfad, der eine nachhaltige Haushaltspolitik ermöglicht, es sollen strukturelle Voraussetzungen für eine ökonomische Entwicklung geschaffen werden, die nicht von »Hilfsmaßnahmen«, äußeren Vorgaben oder Strohfeuerpolitik geprägt ist. Und es geht um die Gewährleistung eines fairen und inklusiven Wachstums, das nicht die ohne bestehende Ungleichheit noch zu Lasten der Bevölkerungsmehrheit verstärkt, sondern die gesellschaftliche Reichtumsproduktion auch denen zugute kommen lässt, die zu ihr zuvörderst beitragen.

SYRIZA will deshalb unter anderem sich öffnende fiskalische Spielräume »zur Senkung der Steuerlast und Erhöhung der Sozialausgaben« nutzen, sie will dafür sorgen, dass »mehr und bessere Jobs« geschaffen werden, der Mindestlohn soll mit den Erfordernissen einer Ökonomie steigen, die Binnennachfrage braucht und so weiter. Es gehe, heißt es in dem Papier, um die »Entwicklung einer gesunden und nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Zukunft«, bei der integrative Bildung sichergestellt ist, der Sozialschutz ausgeweitet wird, es eine universelle und effektive Gesundheitsversorgung gibt, und in der eine »sozial orientierte Wirtschaft« gefördert wird. Tsakalotos nun gegenüber Zeit online dazu: »Das ist kein Wunschdenken«.

Finanzministerin in Athen will neue Prioritäten setzen

Entsprechend wird in Tsakalotos’ Finanzministerium auf die vergangenen und der kommenden Jahre geblickt: Die Haushaltspolitik könne »als erfolgreich bezeichnet werden. Die Ziele der Primärüberschüsse wurden übertroffen, nach acht Jahren ist Griechenland aus dem Verfahren bei übermäßigem Defizit der Europäischen Union ausgetreten und in den Jahren 2016 und 2017 hat das Land zum ersten Mal in der zeitgenössischen griechischen Wirtschaftsgeschichte einen gesamtstaatlichen Haushaltsüberschuss erreicht, von dem erwartet wird, dass er mittelfristig aufrecht erhalten wird«, heißt es dort laut Informationen von oxiblog.de.

Weiter hießt es: »Da das Land schrittweise den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten wiedererlangt und die makroökonomischen Eckdaten der griechischen Wirtschaft sich verbessern, haben sich die finanzpolitischen Prioritäten schrittweise einer Veränderung der Haushaltszusammensetzung zuzuwenden, so dass die Staatshaushalte der kommenden Jahre das verfügbare Einkommen der Privathaushalte stärken, auf sichere Weise den nachhaltigen Aufschwung unterstützen und gezielt die chronischen Defizite der Sozialfürsorge zu bewältigen.« Zusätzliche Spielräume im Haushalt sollen demnach sowohl zur Vorsorge für schwächere Einnahmezeiten als auch »zur Erhöhung des verfügbaren Einkommens der Privathaushalte und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beitragen werden, sowie für die gezielte Erhörung von Primärausgaben mit dem Ziel der nachhaltigen Senkung der Arbeitslosigkeit, der Bekämpfung der Kinderarmut und der Investitionen in Humankapital« genutzt werden.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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