Wirtschaft
anders denken.

Arm trotz Arbeit: 7,7 Prozent der Erwerbstätigen waren 2016 armutsgefährdet

25.06.2018
Bernd Schwabe , Lizenz: CC BY-SA 3.0

Es gibt wieder Daten zur anderen Seite des angeblich so robusten Arbeitsmarktes: zur Armutsgefährdung von Arbeitenden. 7,7 Prozent der Erwerbstätigen hierzulande waren 2016 für ein Einkommen unterhalb der Armutsrisikoschwelle beschäftigt, über eine Million musste aufstocken.

Zahlen über die Rekordbeschäftigung und die gemeinhin als gut eingeschätzte Lage am Arbeitsmarkt liest man ziemlich oft. Dass da nicht alles Gold ist, was als glänzend beschrieben wird, ist auch bekannt: entsicherte Beschäftigungsverhältnisse, prekäre Löhne und Dauerbefristungen erzählen nämlich eine ganz andere Geschichte. Diese gehört nicht nur zur Realität der Lohnarbeit – sie prägt dieser einen Stempel auf: Die Aneignung fremder Arbeit ist nicht schon deshalb eine begrüßenswerte Sache, nur weil die Zahl der Erwerbslosen in guten Konjunkturzeiten sinkt.

Nun gibt es wieder Daten zu dieser anderen Seite des angeblich so robusten Arbeitsmarktes: 7,7 Prozent der Erwerbstätigen hierzulande waren 2016 für ein Einkommen unterhalb der Armutsrisikoschwelle beschäftigt, rechnet die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag in einer sehr materialreichen Antwort vor. Bei den Selbstständigen reicht das Einkommen für 8,7 Prozent nicht für ein Leben oberhalb der Armutsrisikoschwelle.

Das heißt auch: 1,16 Millionen Beschäftigte bekamen im Oktober 2017, für diesen Monat liegen die aktuellsten Zahlen vor, zusätzlich Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Damit sind zu diesem Zeitpunkt 27 Prozent aller Leistungsbezieher tatsächlich arbeitende Arme gewesen, so genannte Aufstocker. Davon waren 1,08 Millionen abhängig beschäftigt und rund 89.000 selbstständig. Unter den abhängig Beschäftigten hatten 2008.000 sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs, 393.000 sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs, 368.000 waren geringfügig beschäftigt.

Die Armutsrisikoschwelle wird hier »einer Konvention folgend« bei »60 Prozent des mittleren mit der neuen OECD-Skala gewichteten Einkommens« angelegt. »Demnach ergibt sich auf Basis des Mikrozensus 2016 für einen Einpersonenhaushalt ein Schwellenwert von 969 Euro. Der Vergleichswert für Paarhaushalte beträgt 1.453 Euro. Die Schwelle erhöht sich für jedes Kind im Alter ab 14 Jahren um 484 Euro und für jedes Kind im Alter unter 14 Jahren um 291 Euro.«

Die Zahl der arbeitenden Armen hat sich laut der Daten seit Jahren praktisch kaum verändert – allenfalls leicht nach oben. 2005 wurden noch 7,3 Prozent der Erwerbstätigen als armutsgefährdet angesehen. Schaut man sich die Lage in den Bundesländern an, sticht die deutlich überdurchschnittliche Armutsgefährdung unter Erwerbstätigen in Sachsen-Anhalt (11,4 Prozent), Bremen (10,7), Mecklenburg-Vorpommern (10,6) und Sachsen (10,3 Prozent).  Besonders stark macht sich Armutsgefährdung unter Erwerbstätigen auch bei Alleinerziehenden bemerkbar, unter ihnen gelten bundesweit über 40 Prozent als armutsgefährdet.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Grünen enthält zahlreiche Tabellen, die dem Phänomen der arbeitenden Armen noch detaillierter auf den Grund gehen. Eine Antwort sticht dabei noch heraus – die auf die Frage nach vorliegenden Studien darüber, wie viele Menschen, die eigentlich Anspruch auf Arbeitslosengeld II hätten, dieses nicht beantragen. Blickt man sich die Übersicht über diese Studien an, so schwankt darin die Quote der so genannten Nicht-Inanspruchnahme zwischen etwa 33 Prozent und fast 50 Prozent.

Dazu heißt es zur Erläuterung: »Die Quote der Nicht-Inanspruchnahme ist definiert als der Anteil der Anspruchsberechtigten ohne Arbeitslosengeld-II-Bezug an allen als anspruchsberechtigt simulierten Haushalten.« Und weiter: »Die unterschiedlichen Quoten der Nicht-Inanspruchnahme von Arbeitslosgengeld II kann mit der jeweils verwendeten Datenbasis, dem betrachteten Zeitraum und dem jeweils verwendeten Mikrosimulationsmodell erklärt werden.« Und: »Nach Auswertungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gibt es nur wenige Studien, die sich mit der Nicht-Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II befassen.«

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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