Wirtschaft
anders denken.

Der historische Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel

30.01.2018

Was ist eigentlich … ursprüngliche Akkumulation? Marx sieht hierin den historischen Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel – und damit die Schaffung der Existenzbedingungen der kapitalistischen Produktionsweise. Unser OXI-Glossar:

Als »sogenannte ursprüngliche Akkumulation« bezeichnet Karl Marx die Ansammlung von Kapital, die Voraussetzung, nicht Ergebnis, der kapitalistischen Produktionsweise ist. Entgegen der Perspektive der klassischen Ökonomie, die eine Anhäufung von Reichtum durch eigene Arbeit und Sparsamkeit Einzelner als Voraussetzung kapitalistischer Akkumulation annimmt, zeigt Marx, dass die historische Entwicklung der Existenzbedingungen der kapitalistischen Produktionsweise, einer Klasse an Produktionsmittelbesitzenden und des im doppelten Sinne »freien Arbeiters« auf der Enteignung gemeinschaftlich bearbeiteten Bodens und dessen Überführung in Privateigentum basierte.

Die ursprüngliche Akkumulation folgt nach Marx so nicht den Prinzipien der Mehrwertproduktion, ihre Grundlage war die gewaltsame Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln unter wesentlicher Mithilfe des Staates. Die einzige Möglichkeit der vertriebenen und ihrer Subsistenzmittel beraubten Bauern lag nun im Verkauf ihrer Arbeitskraft. Als zentrale Momente der ursprünglichen Akkumulation beschreibt Marx neben den Enteignungsprozessen und der damit verbundenen Auflösung feudaler Verhältnisse die Disziplinierung des neu entstehenden Proletariats in das Lohnarbeitsverhältnis, die Etablierung von Märkten für die kapitalistisch produzierten Waren, die Herausbildung des Kolonialsystems sowie die Entwicklung eines kapitalistischen Finanzsystems.

Während der Prozess teils als abgeschlossene zeitliche Periode verstanden wird, gehen andere Interpretationen von einer Wiederholung oder Permanenz ursprünglicher Akkumulation aus. Diese bezieht sich zum einen auf Landnahme im Zuge der räumlichen Ausdehnung des Kapitalismus, zum anderen wird der Prozess einer kontinuierlichen ursprünglichen Akkumulation innerhalb kapitalistischer Gesellschaften diskutiert. Neben dem Zwang der Anpassung der Lohnarbeitenden an die sich beständig verändernden Arbeitsbedingungen werden hier vor allem die Durchsetzung privater Eigentumstitel und Verfügungsrechte über bislang nicht den Prinzipien der Kapitalakkumulation unterworfene Bereiche verstanden, die so verwertungsfähig gemacht und in die kapitalistische Akkumulation einbezogen werden können. Die Beispiele reichen von der Privatisierung öffentlicher Infrastruktur über Ausweitung des Patentrechts im Bereich biologischer oder genetischer Ressourcen bis hin zur Finanzialisierung von Natur.

Geschrieben von:

Jenny Simon

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