Wirtschaft
anders denken.

US-Truppen in Deutschland: Kostenfaktor und Wirtschaftsfaktor

30.06.2018
US-ArmeeSpangdahlem Air Base

Ein Bericht über eine interne Studie zu einem möglichen Abzug der US-Truppen sorgt für Schlagzeilen. Die Präsenz der Amerikaner hat seit 1990 schon drastisch abgenommen – die Truppen werden als regionaler Wirtschaftsfaktor betrachtet, kosten aber die öffentliche Hand hierzulande auch Milliarden.

Laut einem Bericht der »Washington Post« hat das US-Verteidigungsministerium einen Abzug der in Deutschland stationierten US-Soldaten zumindest einmal durchgespielt – in einer Studie des Pentagons. Die Sache macht nun vor allem deshalb Schlagzeilen, weil sich hier ein weiterer Schritt transatlantischer Entfremdung andeutet; zudem spielt der Streit zwischen Berlin und Washington in Sachen Finanzierungsbeiträge für NATO und überhaupt die Rüstungsausgaben im Hintergrund eine Rolle. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats wird mit dem Hinweis zitiert, man plane keinen Abzug, allerdings würde die Stationierung von US-Truppen im Ausland regelmäßig Prüfungen und »Kosten-Nutzen-Rechnungen« unterzogen.

Derzeit sind noch rund 35.000 US-Soldaten hierzulande stationiert. 2008 waren es noch etwa 63.000. Und 1985 zählten die US-Truppen noch 246.875 US-Soldaten. Diese Zahl nahm bis 1990 schrittweise auf 227.586 Militärangehörige ab. Einschließlich US-amerikanischer Zivilangestellter und Familienangehöriger lag die Gesamtzahl zum Ende des Kalten Kriegs hin bei über 570.000 Personen. Unter anderem infolge des Zwei-plus-Vier-Vertrages zogen die USA dann massiv Truppen ab, zahlreiche Standorte wurde geschlossen. Die Zahl der Soldaten schrumpfte auf 70.126 zum Ende des Jahres 2000, zu diesem Zeitpunkt beschäftigten die US-Streitkräfte in Deutschland zudem 32.323 amerikanische Zivilisten. In einer anderen Quelle heißt es für 2003, die US-Armee habe 12.000 US-Bürger und 16.000 »local nationals«, also Bundesbürger, beschäftigt.

Die Standorte des Militärs gelten in den Regionen auch deshalb als ökonomischer Faktor. In einer Ausarbeitung des Bundestags von 2017 heißt es, die US-Truppen stellten »nicht nur einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar, sondern entlasteten durch die Beschäftigung deutscher Arbeitnehmer auch den lokalen Arbeitsmarkt«. Dabei seien »im Ruhestand befindliches Personal sowie Familienangehörige sowohl der Soldaten und Soldatinnen als auch der zivilen amerikanischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die die Rolle der US-Streitkräfte als Wirtschaftsfaktor noch verstärken«, mangels Daten in die Gesamtzahlen noch nicht einmal einbezogen.

Für das Beispiel Bamberg hieß es 2011 in der »Süddeutschen«, die damals rund 3.000 dort stationierten Soldaten und die zusammen mit Familienangehörigen insgesamt rund 7.000 US-Amerikaner in der Stadt, seien »längst eine Bereicherung für uns«, was wörtlich gemeint war: » Es geht um bis zu 40 Millionen Euro pro Jahr, die Firmen aus der Region mit Aufträgen von den Amerikanern erwirtschaften. Es geht auch um rund 400 Zivilisten, die am Standort arbeiten und um Jobs, die sich am Rande der militärischen Präsenz entwickeln.«

2012 hieß es über Grafenwöhr, damals »einer der größten Truppenübungsplätze in Europa«, rund 4.000 US-Soldaten und Familienangehörige »haben für die Kleinstadt enorme Bedeutung« – auch das mit Blick auf die wirtschaftliche Rolle. Abzugspläne aus jener Zeit wurden mit dem Hinweis begleitet, »2.500 Zivilangestellte arbeiten auf der US-Basis, jährlich gibt das US-Militär rund 300 Millionen Dollar aus, um den Stützpunkt zu betreiben, unterhält damit Schulen, Bussysteme und Gebäude. Hinzu kommt der Sold der stationierten Truppen. Gut 50 Millionen Dollar Militärausgaben fließen direkt oder indirekt in die Wirtschaft von Grafenwöhr und Umgebung«, dies habe die US-Armee ausgerechnet. Zudem hätte Washington rund eine Milliarde US-Dollar »in den Ausbau des Stützpunkts gesteckt, Wohnungen, Unterstände und ein Einkaufszentrum mit 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche gebaut, alles mithilfe von Firmen aus der Umgebung«. Diese Investitionen sind natürlich nicht verloren, die Gebäude können anderweitig genutzt werden.

Und 2005 meldete der Deutschlandfunk unter Berufung auf das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium, dass die in Kaiserslautern, Ramstein und in Spangdahlem stationierten US-Streitkräfte »insgesamt 1,4 Milliarden Euro jährlich« ausgeben würden, »das heißt, damit sind rund 27.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze verbunden, das heißt ein ganz erhebliches Wirtschaftspotential«. 

In einer Ausarbeitung des Linkspartei-Politikers Paul Schäfer aus dem Jahr 2008 heißt es, »allem voran bedeutet die Stationierung von US-Truppen in Deutschland natürlich eine Mitverantwortung der Bundesregierung für die Konsequenzen der militärischen Machtpolitik der USA«. Dabei gehe es unter anderem um die Nutzung von zivilen Flughäfen. »Die negativen Implikationen der militärischen Präsenz der USA in Deutschland erstrecken sich auch auf den Bereich der Rüstungskontrolle«, so Schäfer – durch Akzeptanz der »Lagerung von US-Atomwaffen auf US-Stützpunkten in Deutschland trägt die Bundesregierung erheblich dazu bei, den Nichtverbreitungsvertrag zu schwächen«.

Schäfer kommt in dem Papier auch auf die »ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten der militärischen Präsenz der USA in Deutschland« zu sprechen, die »nur schwer zu beziffern« seien. Die US-Truppen sind nicht nur Wirtschaftsfaktor, sie kosten auch Geld: Ausgaben für Unterstützungsleistungen an zivile Arbeitskräfte der Entsendestreitkräfte, Regulierung von Manöverschäden, Unterhalt der genutzten Liegenschaften. Hinzu kommen Folgen, die sich materiell schwer berechnen lassen, etwa Umweltbelastungen durch die US-Truppen. Für den Zeitraum 2001 bis 2006 nannte die Bundesregierung laut Schäfer Kosten der US-Präsenz für die öffentliche Hand hierzulande von etwa 460 Millionen Euro.

In der »Süddeutschen« hieß es 2013 unter Berufung auf Haushaltsdaten, »die Summe der Ausgaben für die US-Streitkräfte im Bundeshaushalt zwischen 2003 und 2012« betrage insgesamt »etwa eine Milliarde Euro… Zu den 598 Millionen Euro für Bauten kommen 327 Millionen Euro, mit denen Schäden ausgeglichen wurden, die US-Soldaten angerichtet haben, und Sozialleistungen bezahlt wurden, die von den Amerikanern entlassene Zivilangestellte bekommen. Hinzu kommen Subventionen für den Umzug der amerikanischen Luftwaffe von Frankfurt nach Ramstein und Spangdahlem in Höhe von 70 Millionen Euro sowie Steuer- und Zollvergünstigungen in unbekannter Höhe.« Das Blatt weiter: »Der deutsche Steuerzahler trägt so dazu bei, die amerikanische Militärinfrastruktur für den geheimen Krieg aufzubauen. Von US-Basen in Deutschland werden Drohnenangriffe in Afrika koordiniert, die Geheimdienste sind im Land aktiv – und private US-Konzerne helfen ihnen.«

Im Jahr 2014 beantwortete die Bundesregierung eine Anfrage der Linksfraktion zu den »Kosten und Auswirkungen der Präsenz ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland«, darin sind umfangreiche Zahlen auch zu den ökonomischen und strukturpolitischen Konsequenzen der Stationierung zu finden.

 

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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