Wirtschaft
anders denken.

Strafzölle, Vergeltungsankündigungen, Handelskrieg: der OXI-Überblick zu Trumps Stahl-Protektionismus

02.03.2018
Roy Luck, Lizenz: CC BY-SA 2.0

US-Präsident Donald Trump kündigt Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe an. Die erste Folge: Die Nachrichtensprache dreht Richtung Handelskrieg. Von »Vergeltungsmaßnahmen« ist die Rede. Was muss man sonst wissen? Der OXI-Überblick.

US-Präsident Donald Trump hat Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe angekündigt, die erste Folge: Die Nachrichtensprache dreht Richtung Handelskrieg. Die Deutsche Presse-Agentur meldet, die »EU kündigt Vergeltungsmaßnahmen« an, bei der AFP ist von »entschlossenen« Gegenmaßnahmen die Rede. »Die EU wird entschieden und angemessen reagieren, um ihre Interessen zu verteidigen«, wird EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zitiert. Die Handelskommissarin  der Europäischen Union, Cecilia Malmström, erwartet nun »negative Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen und die globalen Märkte«.

Wie ist der Stand der Dinge?

Die ganze Sache kommt jedenfalls nicht überraschend. Schon vor zwei Wochen hatte US-Handelsminister Wilbur Ross drei Optionen für den Präsidenten formuliert: Entweder Strafzölle für alle Länder, oder höhere Zölle von 50 Prozent für einige Staaten, wobei von China und Russland die Rede war, zudem das Einfrieren von Handelsvolumina auf dem Niveau von 2017, oder drittens eine Art Quotenregelung.

Nun hat Trump sich offenbar entschieden, er kündigte an, die US-Stahlindustrie mit Strafzöllen auf alle Stahlimporte in Höhe von 25 Prozent »abzuschirmen«, wie es eine Nachrichtenagentur formuliert. Einfuhren von Aluminium sollen demnach mit Strafzöllen von zehn Prozent belastet werden. Details sind für die kommende Woche angekündigt. Trump hat bereits Strafzölle auf Waschmaschinen, Solarpaneele und Flugzeuge ausgesprochen.

Die USA importieren weltweit die größte Menge von Stahl. Hauptimporteure sind Kanada, Brasilien, Südkorea, Mexiko und Russland. Die EU liefert laut Handelsblatt etwa 3,6 Millionen Tonnen Stahl in die USA, das ist aber nur ein kleiner Teil der Gesamtproduktion von rund 130 Millionen Tonnen.

Wie sind die Reaktionen?

Wie schon gesagt, rüstet sich die EU und das nicht nur verbal. Man wolle »nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden«, so Juncker. Die EU-Kommission werde schnell einen Vorschlag machen, »wie im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO zurückgeschlagen werden könnte«, so formuliert es eine Nachrichtenagentur.

Bekannt ist, dass sich der EU-Apparat seit längerem auf mögliche US-Strafzölle vorbereitet. Im Gegenzug könnten dann US-Produkte ebenfalls mit Strafzöllen belegt werden, von Whiskey, Motorrädern, Kartoffeln oder Tomaten ist die Rede. Zudem wird mit einer Klage bei der Welthandelsorganisation WTO gerechnet.

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sagte, wenn Trump grundlos europäische Waren verteuere, müsse Europa zum Schutz von Arbeitsplätzen reagieren. Der SPD-Politiker Bernd Lange wurde mit den Worten wiedergegeben: »Das ist rücksichtloser Nationalismus und Protektionismus in Reinform«, der USA müsse nun klargemacht werden, »wo die Grenzen unseres Verständnisses« lägen. Ähnlich äußerte sich inzwischen auch Außenminister Sigmar Gabriel in der Welt.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sagte im Kurzmeldungsdienst Twitter, die EU müsse nun »hart auf die US-Strafzölle reagieren und selbst Strafzölle auf sensitive US-Produkte erheben um die USA unter Druck zu setzen«. Brüssel solle so ein »klares Zeichen setzen um einen Handelskrieg zu verhindern«. Die Europäische Union sei »groß genug um den USA Paroli zu bieten. Wenn Sie dies nicht tut, dann ist dies praktisch eine Freifahrkarte für die USA, ihre Konfrontation fortzusetzen.« Gerade die Unternehmen in der Bundesrepublik hingen stark von Exporten ab und bräuchten »eine starke EU«. Die Strafzölle der USA erscheinen Fratzscher auch als Versuch, »Deutschland für seine exzessiven Handelsüberschüsse zu ›bestrafen‹«.

Jürgen Matthes vom unternehmensnahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sagte, »derzeit bestehen große Überkapazitäten auf dem globalen Stahlmarkt – vor allem durch die starke chinesische Produktion. Sollten die USA tatsächlich Strafzölle erheben, dürften andere Länder ihre Stahl- und Aluminiumprodukte statt in die Vereinigten Staaten vermehrt nach Europa ausführen. Das wird die Lage der europäischen Stahlfirmen zusätzlich erschweren, die bereits jetzt mit den Dumping-Importen aus China zu kämpfen haben. Wenn die europäischen Einfuhren von Stahl und Aluminium tatsächlich stark zunehmen und die Branchen deutlichen Schaden nehmen, kann die EU ihrerseits Schutzmaßnahmen in Form von Zöllen auf Produkte aus aller Welt erheben. Damit gibt schon dieses Beispiel einen Hinweis auf das Eskalationspotenzial der angedrohten US-Strafzölle. Tatsächlich besteht jetzt die ernste Gefahr eines Handelskriegs.«

Aus Brasilien und Mexiko war ebenfalls von »Maßnahmen auf multilateraler oder bilateraler Ebene« die Rede. Brasilien ist der zweitwichtigste Stahlimporteur in die USA. Mexiko und Russland stehen auch noch unter den Top Vier. Die USA wiederum verkaufen mehr Stahl nach Mexiko als umgekehrt. Auch in Kanada wappnet man sich gegen US-Strafzölle, »um seine Handelsinteressen und seine Arbeiter zu schützen«, wie Außenministerin Chrystia Freeland sagte. Kanada kaufe mehr US-Stahl als als alle anderen Staaten, die Hälfte der US-Exporte gehen in das Land.

Zwar legten an den Börsen die Werte der Stahlproduzenten zu, aber der Dow Jones ging deutlich ins Minus: aus Sorge um Auswirkungen eines Handelskrieges und weil nun die Preise für Stahl steigen könnten, was zu Auswirkungen in anderen Branchen, etwa im Auto- oder im Flugzeugbau führt. So sieht denn auch die Liste der Verlierer aus, auf der exportorientierte US-Unternehmen wie Boeing und General Motors oder auch Technologiekonzerne wie Apple und Cisco Systems stehen. Zu den Börsengewinnern zählen die Produzenten Century Aluminium und US Steel. Man könnte also sagen, dass hier mal mehr mal weniger das Interesse bestimmter Kapitalfraktionen berücksichtigt ist.

Was sagen die Unternehmen?

Die Stahlausfuhren deutscher Konzerne haben die Bundesrepublik nach US-Angaben auf Platz 8 der Importliste gebracht. Die Exporte stiegen laut Washington zwischen 2011 und 2017 um etwa 40 Prozent.

Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, verwies darauf, dass Strafzölle »eindeutig gegen Regeln der Welthandelsorganisation WTO« verstießen. Zugleich las man in den Nachrichtenagenturen: »Kerkhoff befürchtet nun, dass Exporteure den offenen EU-Markt überschwemmen könnten, um die Zölle in den USA zu vermeiden.«

Der Präsident der Industrielobby BDI, Dieter Kempf, wurde in der dpa mit den Worten zitiert: »Trump riskiert weltweite Handelskonflikte und eine Spirale des Protektionismus, die am Ende auch amerikanische Jobs kosten werden.«

Der österreichische Stahlproduzent Voestalpine erklärte durch seinen Chef Wolfgang Eder, »die möglichen Konsequenzen auf die globalen Märkte und den Freihandel sind aufgrund der Komplexität der globalen Wirtschaftsstrukturen nicht ohne weiteres abschätzbar«.

Was sind die Gründe für die Strafzölle?

In den Berichten wird auf zwei Sachverhalte hingewiesen. Erstens steht Trump innenpolitisch unter Druck, ein symbolträchtiger und schlagzeilenmachender neuer Schritt auf dem Weg des Protektionismus wird daher als »eine Art Befreiungsschlag« interpretiert. Trump hatte die Stahl-Politik zu einem zentralen Aspekt seiner »America First«-Politik gemacht. Dies verweist aber eher auf den Zeitpunkt der Ankündigung, dass Trump in Sachen Stahl und Aluminium zu dieser Entscheidung kommt, war weniger eine Frage des Ob.

Der zweite, entscheidendere Grund: die Auslastung der Stahl- und Aluminumhütten in den USA ist gering. Seit 2000 haben zehn Stahlwerke in den USA dichtgemacht, die Beschäftigung in dem Sektor ging binnen 20 Jahren um 35 Prozent zurück. Die Strafzölle sollen dazu beitragen, die Auslastung bei Stahl von 73 Prozent auf 80 Prozent zu heben, bei Aluminium sogar von 48 Prozent auf 80 Prozent. Das hat mit globalen Überkapazitäten zu tun, wie auch das US-Wirtschaftsministerium vorrechnet: Die Weltstahlproduktion zum Beispiel stieg seit 2000 um 127 Prozent, die Nachfrage hielt nicht Schritt.

In Washington sieht man sich in der globalen Konkurrenz schlecht behandelt. Trump twitterte: »Unsere Stahl- und Aluminiumbranche sowie viele andere wurden jahrzehntelang durch unfairen Handel und schlechte Politik mit vielen Ländern der Welt dezimiert«. Dies sollen nun die Strafzölle ändern. Dagegen ist man in Brüssel der Meinung, dass die globalen Überkapazitäten in der Stahl- und Aluminiumproduktion nur über die internationale Zusammenarbeit und nicht über Alleingänge der USA gelöst werden könnten.

Was schreiben die Zeitungen?

In der »Neuen Zürcher Zeitung« heißt es, »kaum eine Branche hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr Rückendeckung von der US-Regierung erhalten als die Stahlindustrie. Derzeit sind – noch ohne Berücksichtigung der neuen flächendeckenden Trump-Zölle – über 200 verschiedene US-Antidumping- und -Ausgleichszölle auf Eisen- und Stahlprodukten aus der ganzen Welt in Kraft, weil diese angeblich unter unfairen Umständen nach Amerika geliefert werden. Und trotzdem schreit die Branche ständig nach weiteren Schutzmaßnahmen. Das zeigt, dass Importbeschränkungen versagen«, so das Blatt. »Die US-Stahlindustrie ist seit Jahrzehnten zu eng mit dem Staat verbandelt, und auch Trump fällt nun dem Klüngel zum Opfer. Dabei hat der Präsident ja auch ihr soeben ein Riesengeschenk gemacht, indem er die Konzerngewinnsteuer von 35 Prozent auf noch 21 Prozent gesenkt hat.«

In der »Welt« wird gefordert, Kanzlerin Angela Merkel müsse diese »dreiste Attacke auf die Grundlagen unseres Wohlstands« zur Chefsache machen. »Tantige Ermahnungen werden nicht reichen«, so der Kommentar – der befürchtet, »die Reaktionen, die nun aus Berlin und Brüssel und auch Peking und Ottawa einzutrudeln beginnen, sind erwartbar: Man wird, erstens, die Zölle mit routinierter Rhetorik verurteilen. Man wird, zweitens, ankündigen, den Rechtsweg zu beschreiten. Und man wird sich, drittens, wieder dem Tagesgeschäft zuwenden. Die alles in der Hoffnung, dass es kommt, wie es bisher immer kam: dass nämlich die Technokraten die Angelegenheit irgendwann einmal im Stillen erledigen.« Dieser Dreiklang sei aber »falsch, falsch und nochmal falsch«.

Welche Folgen könnte ein »Handelskrieg« haben?

Im Jahr 2016 hatte eine Studie des ifo-Instituts ergeben, dass sich »ein Handelskrieg der USA …gegen das Land selbst kehren« würde. Die Berechnungen zielten damals auf eine umfassendere Abschottung mit Strafzöllen und anderen Barrieren, die Trumpf öffentlich erwogen hatte. »Die Wirtschaftsleistung würde bis zu 9,3 Prozent fallen, wenn die USA Importzölle von 45 Prozent und nicht-tarifäre Barrieren von 15 Prozent gegenüber allen Handelspartnern erheben würden, und diese mit denselben Waffen zurückschlagen würden. Ein solches Szenario, wie von Donald Trump erwogen, würde die USA in einen Zustand der Autarkie versetzen«, sagte damals der Welthandelsexperte Gabriel Felbermayr.

Vor eine Jahr war in einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft darauf verwiesen worden, dass US-Firmen mit hohen Direktinvestitionen im europäischen Binnenmarkt engagiert seien – auf sie würde ein solcher Handelskonflikt selbst stark zurückwirken. Damals hatten die Forscher nicht unbedingt mit einer Zuspitzung gerechnet, unter anderem, weil die Kapitalverflechtung so stark ist. »Gemessen an der Investitionstätigkeit ist der europäische Binnenmarkt für US-Unternehmen der wichtigste ausländische Wirtschaftsraum«, wurde damals der Ökonom Stefan Kooths zitiert. Die Umsätze der im EU-Binnenmarkt engagierten Firmen, die mehrheitlich im Eigentum von US-Muttergesellschaften stehen, übertreffe demnach mit über 2,5 Billionen Dollar die US-Exporte in die EU mit 500 Milliarden US-Dollar um das Fünffache.

Damals war man unter anderem von Strafzöllen auf Autoimporte ausgegangen. Wie Reuters meldete, war eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger zu dem Ergebnis gekommen, dass davon die Autobranche auf beiden Seiten des Atlantiks getroffen würde: »Im besten Fall werden die angekündigten Zölle zum Nullsummenspiel. Wahrscheinlicher sind jedoch ein massiver Druck auf die Margen der Hersteller, sinkende Verkaufszahlen und dadurch ein langfristiger Stellenabbau in der amerikanischen Autoindustrie«, so Wolfgang Bernhart.

Was sagt die WTO?

Schon vor ein paar Tagen hatte WTO-Chef Roberto Azevêdo davon gesprochen, dass man »ständig die Möglichkeit eines Handelskriegs in Erwägung ziehen« müsse. »Es genügt schon, dass ein WTO-Mitglied Maßnahmen ergreift, die ein anderes Mitglied als ungerechtfertigt erachtet und auf die es reagiert. Sobald es reagiert, fängt die Eskalation an.« Wegen anderer US-Strafzölle sind bei der WTO bereits so genannte Konsultationen beantragt.

Azevêdo wurde zudem mit dem Hinweis zitiert, seit der Wirtschaftskrise von 2008 hätten wachsende Erwerbslosigkeit und vergleichsweise schwaches Wachstum die Neigung steigen lassen, »die Grenzen zu schließen. Eine solche Stimmung kann zum Handelskrieg führen«. Der WTO-Chef erklärte aber zu solchen angeblich sozial motivierten Schritten, der Abbau von Arbeitsplätzen habe wenig mit Immigranten oder hohen Einfuhren in nationale Märkte zu tun. Die Realität sei vielmehr: »80 Prozent der Arbeitsplätze gehen wegen neuer Technologien, Innovationen und neuer Management-Strategien verloren.« Eine Schließung von Grenzen, und sei es eine relative Schließung für Produkte durch Strafzölle, »mag zwar wie eine einfache Lösung aussehen, nur geht man ja damit nicht an die Ursachen des Problems. Vielmehr macht man es nur noch schlimmer, weil dann noch mehr Menschen ihre Arbeit verlieren«, so Azevêdo.

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