Wirtschaft
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11 Prozent? Ja, und das ist richtig so: OXI-Überblick zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst

10.02.2018
Bernd Schwabe in Hannover ,Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Gewerkschaft ver.di und ihre Partner starten in die Tarifrunde 2018 – mit einer Forderung im Umfang von etwa 7 Prozent. Vor allem geringere Einkommen sollen von Gehaltserhöhungen profitieren. Wichtige Punkte betreffen auch die Ost-Angleichung und die Auszubildenden. Bund und Kommunen blockten sofort ab.

Es war der 10. Februar 1974, vor allem Busse und Bahnen blieben in den Depots und der Müll wurde nicht abgeholt. Der erste bundesweite Arbeitskampf im öffentlichen Dienst ist noch heute ein historischer Markstein, auch deshalb, weil die Behauptung umging, dieser Streik habe zum Rücktritt von Willy Brandt beigetragen.

Der hatte sich als Kanzler in die Tarifrunde eingemischt und gegen einen zweistelligen Abschluss Front gemacht. Gefordert hatte die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes unter Führung von ÖTV-Chef Heinz Kluncker zunächst 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber eine Erhöhung von 185 Mark – die öffentlichen »Arbeitgeber« hatten 9,5 Prozent angeboten. Damals lag die Teuerung zwischen 9 und 10 Prozent. Nach drei Tagen Streik lag dann ein Abschluss von 11 Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens jedoch 170 Mark auf dem Tisch.

44 Jahre später schlagzeilt die »Frankfurter Allgemeine«: Die Gewerkschaft Ver.di fordere »bis zu 11 Prozent mehr Lohn«. Das ist nicht einmal falsch, dient hier aber wohl eher der Illustration der angeblichen »Überzogenheit« der Forderung – die Gewerkschaften würden »weitere Ansprüche in Milliardenhöhe« anmelden.

Das Echo aus dem Lage der Städten und der Bundesregierung klang ja bereits ähnlich: Der noch geschäftsführende Innenminister Thomas de Maiziere beschied, die Forderung sei »deutlich zu hoch und nicht erfüllbar«. Die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände wurde mit den Worten zitiert, so eine Gehaltserhöhung passe nicht »zur Realität«. Laut FAZ geht es den Kommunen dabei vor allem um die überproportionale Anhebung der unteren Lohngruppen. Und auf diese beziehen sich auch die 11 Prozent in der Überschrift.

Wie kommt die FAZ auf 11 Prozent?

Ver.di fordert nämlich, dass die Gehälter um mindestens 200 Euro steigen. Eine solche Festgeldforderung ist deshalb sinnvoll, um die kleineren Einkommen, die von prozentualen Lohnsteigerungen eben relativ am wenigstens haben, an der Entwicklung besser teilhaben zu lassen. Anders gesagt: Es handelt sich um einen Beitrag zur Minderung von Ungleichheit. Die 11 Prozent errechnet man, wenn man die unterste Tarifgruppe im öffentlichen Dienst zum Maßstab nimmt – dort würden bei aktuell 1.751 Euro im Monat die 200 Euro Festbetrag eine Erhöhung um 11,4 Prozent ausmachen.

Hinzu kommt: Azubis sollen eine Festgelderhöhung um 100 Euro bekommen, auch das wäre überproportional, aber angesichts der Auszubildendenvergütung und Praktikantenentgelte auch ein Beitrag zu Anhebung des Gehaltsniveaus insgesamt.

Wie lauten die ver.di-Forderungen?

Was hat die Bundestarifkommission von ver.di noch beschlossen? Wichtig: Die Laufzeit des Tarifvertrages soll zwölf Monate betragen. Der einstimmige Beschluss sieht vor, für eine Gehaltserhöhung von 6,0 Prozent für die Beschäftigten von Bund und Kommunen zu streiten, mindestens aber 200 Euro im Monat. Insgesamt liegt das Volumen der Gesamtforderung bei 7 Prozent. Der Nachtarbeitszuschlag in Krankenhäusern soll auf 20 Prozent angehoben werden. Die Jahressonderzahlung im Tarifgebiet Ost will ver.di an den Bemessungssatz für das Tarifgebiet West angeglichen sehen. Auch soll die Regelung wieder in Kraft gesetzt werden, dass Azubis nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung übernommen werden. Zudem will ver.di erreichen, die bislang tariflich nicht geregelten Ausbildungsgänge und Praktikumsverhältnisse zu tarifieren.

Wie begründet die Gewerkschaft ihre Forderungen?

Wie begründet ver.di die Forderung – aufgestellt gemeinsam mit dem dbb Beamtenbund, der Gewerkschaft der Polizei und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft? »Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben auch ein Recht, an wirtschaftlichem Wachstum und steigender Produktivität teilzuhaben. Schon seit 2014 nehmen Bund, Länder und Kommunen insgesamt mehr ein, als sie ausgeben. 2017 wurde ein Rekordüberschuss von 38,4 Milliarden Euro erzielt, der nach aktuellen Prognosen weiter kräftig steigen soll: auf 45 Milliarden Euro 2018 und 50 Milliarden Euro 2019.« Gewerkschaftschef Frank Bsirske verwies auf die »goldenen Zeiten der deutschen Wirtschaft«, an dem die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes teilhaben müssen, schließlich lägen die Tarifentgelte in diesem Bereich bezogen auf die Tarifentwicklung seit dem Jahr 2000 um vier Prozentpunkte gegenüber anderen Branchen zurück. 2016 hatten die Gewerkschaften ein Plus von sechs Prozent gefordert und eine Lohnsteigerung in zwei Stufen um 2,4 Prozent zum März 2016 und um 2,35 Prozent zum Februar 2017 ausgehandelt.

Wie wird verhandelt und was sagen Bund sowie Kommunen?

Die Tarifkommission der Gewerkschaft möchte wie üblich, dass die Regelungen des Tarifvertrags »zeit- und inhaltsgleich auf die 344.000 Beamten, Richter und Soldaten sowie 182.000 Versorgungsempfänger übertragen werden. Die Tarifverhandlungen starten am 26. Februar in Potsdam – so lautet der Plan, der allerdings noch unter der Einschränkung steht, dass eine neue Bundesregierung bis dahin wohl nicht im Amt ist. Traditionell führt auf Seiten der Arbeitgeber der Bundesinnenminister die Gespräche. Das wird dann aber noch geschäftsführend de Maiziere sein, der mutmaßliche Nachfolger Horst Seehofer würde also erst später einsteigen.

Thomas Böhle, Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, verwies bereits auf die »extrem hohe Verschuldung und den Investitionsrückstand in vielen Kommunen«. Auch de Maiziere pochte bereits darauf, jetzt müssten auch im Bund bei guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter Schulden abgebaut werden. Er hoffe, so wird der CDU-Mann von einer Nachrichtenagentur zitiert, auf »zügige Verhandlungen, die nicht von unverhältnismäßigen Warnstreiks nur zur Anwerbung von neuen Gewerkschaftsmitgliedern begleitet werden«. Es sind solche Äußerungen, die Gewerkschaften nicht gern hören. Das war 1974 auch so.

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