Wirtschaft
anders denken.

Verkaufswelle an den Weltbörsen: Signal für eine schwere Krise?

27.10.2018
KonjunkturPix1861 / Pixabay

Es gibt Indizien dafür, dass der laufende Akkumulationszyklus und der boomende Kreditzyklus mit seinen Vermögensgewinnen durch eine übliche kapitalistische, mehr oder minder schwere Krise beendet wird.

Der Konjunkturoptimismus war bis zu Beginn des Jahres 2018 kaum zu toppen. Die Akkumulation der Realökonomie bewegte sich seit Jahren aufwärts. Und: Jahrelang sind auch die Kurse an den Wertpapierbörsen nur gestiegen. Urplötzlich hat sich jetzt die Stimmung gedreht.

Das hat die zuversichtlichen Investoren beinahe weltweit überrascht: Der größte Kurseinbruch seit der Finanzkrise 2008 holt die Akteure auf eine unsichere Basis zurück. Der Oktober 2018 droht als schlechtester Monat seit der Finanzkrise in die Annalen einzugehen und zwingt zu einer nüchternen Betrachtung des kapitalistischen Akkumulationsprozesses. Am Beispiel der US-Aktien wird deutlich: Der aktuelle Kursrückgang hat den Jahresgewinn ausradiert.

Der Hintergrund ist ein langer Aufschwung der Globalökonomie. Seit der Finanzkrise 2008 haben die Zentralbanken Billionen von US-Dollar in die Wirtschaften der entwickelten Volkswirtschaften gepumpt. Die Weltwirtschaft benötigte seit längerem keine zusätzlichen Wachstumsimpulse mehr. Trotzdem wurde die Politik des billigen Geldes, d.h. der vergünstigten Kredite, nur ganz langsam zurückgeführt.

Motor der Weltwirtschaft läuft nicht mehr rund

Dennoch läuft seit der zweiten Hälfte 2018 der Motor der Weltwirtschaft nicht mehr rund. Das Wachstum ist also global weniger synchron. In den USA allerdings ist die Dynamik ungebrochen: Die Arbeitslosenquote liegt mit 4 Prozent so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr, die Erwerbsbeteiligung steigt leicht an.

Das milliardenschwere Ausgabenprogramm (Militär und innere Sicherheit) sowie die große Steuerentlastung treiben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Auch in der Volksrepublik China unterstützen die staatlichen Ausgabenprogramme das Wachstum einer schwächelnden Ökonomie.

Dagegen schwächelt das Wachstum in der Eurozone, in Japan und in Großbritannien. Während es einigen Ländern gutgeht, zeigen etwa die Schwellenmärkte deutliche Abschwächungssymptome. Außerdem wachsen die Risiken eines Umschlages durch die Gefahr eines Handelskriegs. Die Spannungen zwischen den USA und China nicht nur beim Handel, sondern auch in Bezug auf den Technologietransfer und die ausländischen Direktinvestitionen werden eskalieren.

Die Risikofaktoren eines Abbruches der Aufwärtsbewegung waren seit langem bekannt: Die üblichen Verdächtigen – höhere Zinsen, überzogene Gewinnerwartungen und Vermögensbewertungen, Handelskrieg und geopolitische Spannungen – waren alle schon länger bekannt. Anfang Oktober erfasste ein Hauch von Black Monday die Wall Street und die anderen boomenden Weltbörsen.

Fast unaufhörlich sind die Börsenkurse gestiegen, und die Anleger konnten jedes Jahr satte Zuwächse verbuchen. Dieses Jahr wird eine längst erwartete Korrektur die Bilanzen verhageln. Nachdem die Aktien im Oktober kräftig an Terrain verloren haben, stehen viele Anleger für das Jahr im Minus: Der Dow Jones Industrial Average jedenfalls liegt nun 1 Prozent unter dem Stand zum Vorjahr und der Standard-&-Poor’s-500-Index sogar knapp 2 Prozent.

Trumps Attacken auf den US-Notenbankchef

US-Präsident Donald Trump hat den langanhaltenden Boom und die bisherige Hausse seiner Wirtschaftspolitik zugeschrieben. Jetzt ist er dabei, einen Sündenbock zu attackieren. In einem Interview mit dem »Wall Street Journal« griff er den Chef des US-Notenbank FED Jerome Powell scharf an. Während Barack Obama in seiner Amtszeit von sinkenden Zinsen profitiert habe, habe das FED in seiner Amtszeit den Zinssatz immer nur erhöht. Trump bezeichnete die Zentralbank als die größte Gefahr für den Konjunkturaufschwung.

Die FED hat seit Ende 2015 ihren Leitzins acht Mal auf aktuell 2,0 bis 2,25 Prozent angehoben, das ist im historischen Vergleich ein eher langsames Tempo. Der aktuelle US-Präsident hat weder einen Blick für die Risiken der Niedrigzinspolitik noch für andere Schattenseiten des langjährigen Aufschwungs. Er klagt: »Ich bin sehr unglücklich mit der FED, weil Obama Nullzinsen hatte … Für mich ist die FED das größte Risiko, weil ich meine, dass die Zinsen zu schnell angehoben werden.« Eigentlich habe er gedacht, Powell sei ein »Niedrigzinstyp«. Jetzt stelle sich das Gegenteil heraus.

Trumps oberflächliche Polemik gegen die US-Notenbank entlarvt seine naive Sichtweise auf die Ökonomie. Faktisch sind die Wirtschaft sowie die Börse und andere Vermögensgütermärkte in den vergangenen Jahren durch eine aktive Politik der Notenbanken und deren geld- und fiskalpolitische Maßnahmen sowie durch die implizite Erwartung »gepusht« worden. Notenbank würden wie in der Großen Finanz- und Wirtschaftskrise stabilisierend eingreifen, sobald die Akkumulationsbewegung ins Trudeln gerät.

Noch ist offen, ob die heftigen Kursrückschläge an den internationalen Börsen das Ende des langen Akkumulationszyklus einläuten. Aber Trumps Attacken auf die Notenbank in Verbindung mit Strafzöllen, massiven Handels- und Währungskonflikten lassen große Zweifel aufkommen, ob der US-Präsident überhaupt eine Stabilisierung der Globalökonomie managen würde.

Der Cocktail für eine Krise ist angerichtet

Die Problemlage ist eindeutig: Wir haben den längsten Bullenmarkt der Geschichte. Wir haben niedrige Zinsen gehabt. Wir hatten reichlich Geld. Das wurde jetzt wieder zurückgenommen. Im Rahmen der Korrekturen wäre ein Umschlag in eine Rezession, also ein mehr oder minder heftiger Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, in den nächsten Monaten nicht ungewöhnlich.

Es gibt Indizien dafür, dass der laufende Akkumulationszyklus und der boomende Kreditzyklus mit seinen Vermögensgewinnen durch eine übliche kapitalistische, mehr oder minder schwere Krise beendet wird. Solche Krisen beginnen häufig in den »Emerging Markets«, den aufstrebenden Märkten. Grund ist deren die hohe Dollarverschuldung, die durch die von den USA eingeleitete Zinsbewegung und den Abzug des in den Schwellenländern angelegten Kapitals eingeleitet wird.

Im Prinzip ist der Cocktail für eine Krise angerichtet und die Handelskonflikte, der Vollzug des Brexits sowie die Auseinandersetzung um die Überschuldung Italiens sind weitere Zutaten. Unternehmen, Investoren, Aktionäre und Politiker sollten sich auf unruhige Zeiten einrichten. Denn die Zeichen stehen auf Sturm.

Der aktuelle US-Präsident hat von seinem Vorgänger Obama eine Ökonomie übernommen, die eine der größten Krisen überstand. Sehr viel Weitsicht hat Trumps Regierung 2017 nicht demonstriert. Trotz gutlaufender Konjunktur und einer massiven Schuldenlast der öffentlichen Haushalte senkte sie die Steuern und setzte neue öffentliche Ausgabenprogramme über eine Ausweitung der Schulden durch. Zugleich wundert und kämpft Trump gegen eine Normalisierung der Notenbankpolitik.

US-Wachstumsschub ist ein Strohfeuer

Die Notenbank der USA musste die Zinsschraube anziehen sowie die ausweitete Bilanz verkürzen, auch wenn dadurch unvermeidlich am Obligationenmarkt die Renditen steigen. Genau dieser Politikwechsel hat in der Vergangenheit zu starken Kursrückschlägen an den Wertpapierbörsen geführt. Die Anleger wollen meist nicht daran glauben, bis es zu spät ist.

»Trumponomics« sind eine Mischung aus Steuersenkungen, Deregulierung und Protektionismus. Dass sie ähnlich wie die »Reaganomics« zum Symbol für ein neues Wirtschaftswunder in den USA werden, ist fraglich. Der Wachstumsschub ist eher ein Strohfeuer, ausgelöst von Trumps massiven Steuersenkungen.

Die aktuellen Zahlen sagten zudem wenig über die Entwicklung der realen Löhne aus. Ob sich Trumps Reform der Einkommensteuer im Portemonnaie der Bürger bemerkbar macht, wird man erst am Ende des laufenden Steuerjahres sehen. Durchschnittlich hundert Dollar pro Monat versprachen die Republikaner, als sie die Reform Ende 2017 durch den Kongress brachten. Wenn Trump schon jetzt damit prahlt, dass sechs Millionen Amerikaner von seiner Steuerreform profitiert hätten, entspricht das weniger als 5 Prozent der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft.

Um das Risiko einer Überhitzung der Wirtschaft zu verringern, war die amerikanische Notenbank entschlossen, die Zinszügel weiter zu straffen. Die FED hat sich durch die Intervention des US-Präsidenten nicht beeindrucken lassen, denn die Zinsstrukturkurve signalisierte, dass sich die US-Wirtschaft in einem späten Konjunkturzyklus befindet. Und sie betrachtet graduelle Zinserhöhungen als eine gute Grundlage für deren fortdauernde Expansion.

Joachim Bischoff ist Mitherausgeber der Zeitschrift »Sozialismus«, der Text erschien zuerst auf deren Website.

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