Wirtschaft
anders denken.

Verschleierung sozialer Verhältnisse

14.09.2017
Bild: geralt / Pixabay

Joachim Pfeiffer ist bei der CDU und hat eine Mission: »neue Umverteilungsdiskussionen, wie sie von linksgrüner Seite gern angezettelt werden«, zu verhindern. Über marktkonforme Sprechblasen und die Rhetorik einer Wirtschaftspolitik, die nur noch ein Interesse kennt.

Einen CDU-Politiker und neue Konjunkturzahlen von der Industrielobby – mehr braucht es nicht für ein Paradebeispiel marktkonformer Sprechblasen. Der Mann heißt Joachim Pfeiffer und ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Union im Bundestag. Und seine Mission: »neue Umverteilungsdiskussionen, wie sie von linksgrüner Seite gern angezettelt werden«, verhindern. Stattdessen wird vorsorglich nach einer »Agenda 2030« gerufen, denn, so sagt es Pfeiffer, »gute Entwicklung ist kein Selbstläufer«.

Zur guten Entwicklung ist bereits hier einiges gesagt worden. Weder lässt sich die drastische Ungleichheit bei den Einkommen verstecken, noch die real existierenden sozialen Probleme. Also muss Pfeiffer die rhetorischen Register der Verschleierung sozialer Verhältnisse und der Interessen ziehen, die hier zum Ausdruck gebracht werden.

»Die deutsche Wirtschaft bleibt auf Erfolgskurs«, sagt er da gleich zu Beginn – und man fragt sich, wer das eigentlich ist »die Wirtschaft«. Hat irgendwer vielleicht doch das siebenthorige Theben erbauen müssen? Und wie ist deren Lage? Und zwar nicht im Durchschnitt, den Pfeiffer bei der Entwicklung der Nettolöhne zitiert?

Wirtschaftspolitik in wessen Interesse?

Ein alter Schlager, der gern zu Reformen gesungen wird, die die Interessen jener deutschen Wirtschaft pflegen, die Pfeiffer auf Erfolgskurs sieht, wird auch gleich intoniert: »Wachstumshindernisse beseitigen, um Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand auch in Zukunft sichern zu können«. Und was sind die Hindernisse: Praktisch alles, was »die Märkte« einhegen und dem Primat zum Beispiel öffentlicher Bedürfnisse eher entsprechen würde als dem der Interessen von Unternehmen.

Pfeiffers Ankündigung, »mit Entschiedenheit« für den Abschluss »neuer Freihandelsabkommen« zu »kämpfen«, folgt dieser Redestrategie der Entnennung sozialer Verhältnisse – es ist ja nicht der Handel, der zum Problem werden kann, sondern es sind die politisch und nicht selten unter Lobbyeinfluss durchgesetzten Regeln, die dazu führen, dass soziale, ökologische, demokratische Ziele unter die Räder kommen.

Dass Pfeiffer die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes lobt, macht die Sache nicht besser. Der Indikator bezieht allerdings Wichtiges nicht ein, es gibt gute Gründe, dass die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung mit dem Nationalen Wohlfahrtsindex NWI einen alternativen Indikator berechnet – der bezieht, anders als das BIP, beispielsweise auch den Ressourcenverbrauch, die Umweltbelastungen sowie Wertschöpfung durch Hausarbeit und zum Teil öffentliche Ausgaben für Gesundheit und Bildung sowie die Verteilung der Einkommen mit ein. Folgt man dieser Methode, sieht die »Konjunktur« schon nicht mehr so rosig aus. Abgesehen von den bereits laut werdenden skeptischeren Prognosen.

Fast schon aufklärerisch

Natürlich lesen wir auch über »Digitalisierung« bei Pfeiffer – die wie eine Naturform technologischer Entwicklung erscheint und nicht als klassenpolitisches Kampffeld. Von »Potenzialen« hören wir, die es zu heben gilt – wobei man nicht genau weiß, wer da hebt, wer das bezahlt und wem es zugute kommt. Natürlich muss Deutschland »Vorreiter« werden – und man fragt sich, ob jene, die so reden, jemals darüber nachgedacht haben, dass wo jemand vorreitet, irgendwer auch das Nachsehen haben muss.

Auf seine Weise wiederum fast schon aufklärerisch wird Pfeiffer, wenn er über den Arbeitsmarkt redet. Fachkräftemangel und so. Der CDU-Mann fordert deshalb »die Aktivierung aller Menschen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen«. Dazu gehöre auch »die höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen«. Nicht Gleichstellung oder Arbeitsmöglichkeiten für alle, treibt diese Leute. Sondern nur ein Ziel: Die deutsche Wirtschaft soll auf Erfolgskurs bleiben.

Geschrieben von:

Tom Strohschneider

Journalist

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