Wirtschaft
anders denken.

»Verstärkte Überwachung«: Die EU-Kommission und die Spielräume der SYRIZA-Regierung

12.07.2018
Grafik: Common.eG

Die EU-Kommission hat für Griechenland eine »verstärkte Überwachung« eingeleitet. Das Instrument wird zum ersten Mal in Anschlag gebracht. Ist es ein in Wahrheit neues »Memorandum«? Nein, sagt Brüssel und in Athen hofft man auf Spielräume für eine »Sozialdividende«.

Wie geht es nach Abschluss des dritten Kreditprogramms in Griechenland weiter? Die EU-Kommission hat die »verstärkte Überwachung« eingeleitet und erklärt, diese sei »nicht an neue Reformelemente oder Auflagen gekoppelt«. Nach drei Kreditprogrammen mit den harschen und umstrittenen Gläubiger-Bedingungen stelle »dies nach den Jahren der Finanzhilfeprogramme einen echten Neuanfang dar«. Das ist gewissermaßen die politische Botschaft, die dem entspricht, was die linksgeführte Regierung in Athen auch erklärt: Die Zeit der Memoranden ist vorbei. Die EU-Kommission liefert aber auch eine, sagen wir: technische Botschaft. Denn es mussten ja seitens Athen doch Zusagen gemacht werden, diese aber, so Brüssel, »betreffen lediglich den Abschluss einiger Reformen, die Griechenland bereits im Rahmen des Stabilitätshilfeprogramms eingeleitet hat, und liefern die Anreize und Rückversicherungen, die im Hinblick auf die für die kommenden Monate und Jahre vorgesehenen Maßnahmen zum Schuldenabbau notwendig sind«.

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Auch an anderer Stelle heißt es: »Auf diese Weise soll die Durchführung, Vollendung und Fortführung der im Rahmen des Programms vereinbarten Reformen im Einklang mit den Zusagen der griechischen Behörden unterstützt werden.« Athen musste also Zusagen machen, die Bedingungen der Gläubiger entsprochen haben. Man könnte das Auflagen nennen – aber richtig ist auch: Ob und welche Spielräume die SYRIZA-geführte Regierung haben wird, hängt von vielem ab, der wirtschaftlichen Entwicklung, den tatsächlichen Steuereinnahmen, dem politischen Willen in Athen und in Europas Hauptstädten.

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz hatte bei der Bundestagsdebatte über den Abschluss des dritten Kreditprogramms erklärt, »das wollen wir natürlich auch: dass die Anstrengungen, die die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands und die Regierung unternommen haben, jetzt nicht aufhören und vergeblich sind, sondern wir wollen gerne, dass die Politik, die Griechenland in Zukunft entwickelt, sich weiter entsprechend den Reformmaßnahmen der letzten Jahre orientiert.« Gemeint ist der Kurs, der allgemein als Spardiktate oder Austeritätsfesseln kritisiert wird. »Klar werden die Spielräume etwas größer, und sie werden umso größer, je größer der wirtschaftliche Erfolg des Landes ist«, sagte Scholz. »Aber es ist auf alle Fälle so, dass wir mit dieser Nachprogrammüberwachung sicherstellen, dass Griechenland auch in Zukunft weiter die Reformpolitik verfolgt, die in den letzten Jahren eingeschlagen worden ist.«

Man kann sich auch schlecht auf frühere Erfahrungen stützen, denn es ist zwar auch bisher üblich gewesen, dass »Mitgliedstaaten, die ein Finanzhilfeprogramm durchlaufen haben«, nach Abschluss »überwacht« werden, was »regelmäßige Überprüfungsmissionen und Berichte sowie ein Monitoring der Reformdurchführung in den Jahren nach dem Programmende« umfasst. Doch die »verstärkte Überwachung« ist neu, es wird »erstmals von der mit der ›Zweierpaket‹-Verordnung (472/2013) eingeführten Möglichkeit einer verstärkten Überwachung Gebrauch gemacht«, so die EU-Kommission. Die Überwachung wird zunächst sechs Monate dauern.

Begründet wird sie mit »der Dauer der griechischen Krise und des langen Zeitraums, über den Griechenland Finanzhilfen erhalten hat, seines nach wie vor hohen Schuldenstandes und der jüngsten Einigung auf ein beispielloses Maßnahmenpaket zum Schuldenabbau«. Brüssel will »ein geeignetes Mittel, um bei der Umsetzung der vereinbarten Reformen nach Programmende Unterstützung zu leisten«. Oder, etwas konkreter: »Die beim Treffen der Eurogruppe am 22. Juni vereinbarte Aktivierung politikabhängiger Maßnahmen zum Schuldenabbau wird nur dann erfolgen, wenn die im Rahmen der verstärkten Überwachung erstellten Berichte positiv ausfallen.« Heißt also: Die Schuldenerleichterungen sind sehr wohl an Auflagen gekoppelt, und seien es solche, die mit dem Erreichen ökonomischer Kennzahlen zu tun haben, etwa Schuldenquote, BIP-Wachstum und so weiter.

So spricht auch Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Kommission: »Das Land muss seine umsichtige Haushaltspolitik und makroökonomische Politik fortsetzen und die vereinbarten Reformen zum Abschluss bringen.« Er hofft, dass so »Anreize für mehr Investitionen gesetzt und ein nachhaltiges Wachstum gewährleistet werden, das Arbeitsplätze schaffen und die Lebensbedingungen und sozialen Bedingungen der Griechen verbessern wird.«

EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici wird wiederum mit Worten zitiert, die man in Athen lieber hört: »Die verstärkte Überwachung stellt kein viertes Programm dar, da sie nicht mit neuen Verpflichtungen oder Auflagen einhergeht. Es handelt sich vielmehr um einen Rahmen, der die Vollendung und Umsetzung der laufenden Reformen unterstützt.« In einem Interview mit der Zeitung »Ethnos« sagte Moscovici mit Blick auf die Frage, ob die von den Gläubigern verlangten weiteren für 2019 geplanten Rentenkürzungen vielleicht doch noch korrigiert werden können: »Wir werden darüber diskutieren, wenn die Zeit reif ist.«

SYRIZA-Finanzminister Efklidis Tsakalotos hat derweil noch einmal politische Maßnahmen bekräftigt, die auf sozialpolitische Korrekturen der bisherigen Krisenpolitik hinauslaufen sollen: »Von nun an schaffen wir trotz hoher Primärüberschüsse einen fiskalischen Spielraum, der niedrigere Steuern und erhebliche Ausgaben für Krankenhäuser und Schulen ermöglicht«, sagte er gegenüber einem Fernsehsender. Der Haushaltsüberschuss 2018 werde eine »Sozialdividende« ermöglichen, wobei noch offen ist, wie diese eingesetzt werden könnte – vielleicht für Steuererleichterungen. Ziel der Regierung sei es, dass die Bürger in drei oder vier Jahren mit mehr Beschäftigung, weniger Steuern und mehr Investitionen allmählich zu praktischen Verbesserungen kommen.

Geschrieben von:

Vincent Körner

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