Wirtschaft
anders denken.

Vertrauensschwund und Imageverlust für griechische Regierung

25.02.2017
Menschen in Athen laufen auf Platz vor ParlamentFoto: János Korom / FlickrCC BY-SA 2.0Alltag in Athen, während das Spiel Kredite gegen neoliberale Reformen anhält.

Das Vertrauen der Griechen in ihre Regierung sinkt, der Optimismus weicht. Und das Spiel neoliberaler Reformen gegen Kredite geht munter weiter.

Neue Umfragen in Griechenland lösten Aufregung aus. Zum ersten Mal seit Januar 2015 wurde deutlich, dass die Glaubwürdigkeit der linksgeführten Regierung, die als einzige Alternative zum abgewirtschafteten politischen System galt, verbraucht ist. Syriza kommt auf 18 %, während die konservative »Nea Dimokratia« über 40 % erreicht. 51 % der Befragten trauen keiner der beiden Parteien.

Dieser Imageverlust ist kein Einzelschicksal, sondern vielmehr charakteristisch für alle Regierungen, die seit 2010 die Memoranden umsetzten. Den Abwärtstrend verstärkten zwei innenpolitische Pannen: Das Gesetz zur Vergabe von Fernseh- und Radiofrequenzen, für die seit der Liberalisierung des Medienmarktes in den 1980er-Jahren nie staatliche Gebühren erhoben worden waren, sah vor, die Eigentümer von Sendern zur Kasse zu bitten und die Zahl der privaten Sender auf vier zu begrenzen, während die Einnahmen die Einstellung von Krankenschwestern finanzieren sollten. Es wurde vom Obersten Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt. Da die Regierung das Vorhaben als den lange angekündigten Großangriff gegen die Korruption von Medien-Oligarchen inszenierte, geriet die Niederlage zu einer öffentlichkeitswirksamen Blamage. Einstecken musste auch der Bildungsminister Nikos Filis, der versuchte den Religionsunterricht in Richtung mehr Religionslehre und weniger orthodoxer Glauben zu reformieren. Der enge Verbündete von Tsipras scheiterte an Protesten des Erzbischofs und wurde abgesetzt. So scheint der Zorn der Gotteshüter nach wie vor stärker als jede Politik.

Der Zorn der Gotteshüter scheint in Griechenland stärker als jede Politik.

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Die Kabinettsumbildung sollte eine Wende herbeiführen. Oberstes Ziel der Regierung ist nun, so der stellvertretende Ministerpräsident Dragasakis, die Prüfung der Quadriga und des darin eingegliederten Haushaltsplan 2017 bis zum Jahresende abzuschließen und die Beteiligung des IWF zu sichern, um Gespräche über die im Mai 2016 in Aussicht gestellten Schuldenerleichterungen aufzunehmen.

Für 2017 gibt man sich in Brüssel und Athen optimistisch: Die Kommission prognostiziert ein Wachstum von 2,7 %, die Erhöhung von Binnennachfrage und Investitionen. Tsipras sprach bei der Vereinigung der Reeder von einer wahrscheinlichen Eingliederung in das Programm der Quantitativen Lockerung der EZB und einer Rückkehr an die Finanzmärkte. Für positive Schlagzeilen sorgt auch die Minderung der Arbeitslosenrate von 24,8 % im Sommer 2015 auf 23,2 % in diesem Jahr. Doch die Bevölkerung ist nicht zuversichtlich, zumal sich die seit 2010 stets positiven Prognosen der Gläubigerinstitutionen bisher nie eingelöst haben. Die Realität fühlt sich anders an: Die sinkenden Arbeitslosenzahlen hängen mit einer beispiellosen Deregulierung des Arbeitsmarktes zusammen. Flexible, prekäre, Saison- und Teilzeitarbeit machen 38 % der Stellen aus, unversicherte Arbeit liegt bei 30 %, rund eine Million Menschen arbeiten, ohne bezahlt zu werden.

Für Hoffnung sorgte der Obama-Besuch Mitte Dezember 2016. Angesichts der Instabilität in der Region und einer Türkei mit Großmachtvorstellungen sollte die geopolitische Rolle Griechenlands als »einzig verbliebene stabile Festung«, so Tsipras, aufgewertet werden. Mit einer Intensivierung der Beziehungen zu den USA wollte man auch die Verhandlungsposition gegenüber der EU stärken. Nun wurde Trump gewählt, und der hat sich bisher nur abfällig geäußert: Mit dem »bankrotten Land«, solle Deutschland fertigwerden. Man fürchtet, dass er den IWF aus dem Griechenlandprogramm rausziehen könnte, der die erhofften Schuldenerleichterungen am stärksten einfordert.

Mit dem bankrotten Griechenland, solle Deutschland allein fertigwerden, wünscht US-Präsident Donald Trump.

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So geht das Spiel »Kredite gegen neoliberale Reformen« munter weiter. Nichts Neues unter der Sonne. Wenn Trump eine regressive Wut-Wahl der Abgehängten ist, gibt es auch hier jeden Grund zur Sorge. Griechenland war ein Beispiel dafür, dass die Empörung der Verlierer des Neoliberalismus auch progressive Transformation bewirken kann. Doch die griechische Regierung kann immer nur die Agenda der Gläubiger übernehmen. Das über Jahre und mit Mühe aufgebaute antineoliberale Lager erfährt nun eine vergleichbare Diskreditierung wie die Sozialdemokratie und das alte Establishment. Auch in Griechenland profitiert die Linke davon nicht.

Das Spiel »Kredite gegen neoliberale Reformen« geht in Griechenland weiter.

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Die Kolumne erschien in OXI 12/2016.

 

Geschrieben von:

Margarita Tsomou

Autorin

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