Wirtschaft
anders denken.

Da geht noch was

31.10.2022

Vollgeld und »monetäre Maschine« lassen sich vereinen. Eine Kritik zum OXI-Schwerpunkt »Geld« im Oktober.

Man könnte meinen, Aaron Sahr sei nicht besonders gut zu sprechen auf die unterschiedlichen Programme der Vollgeldreform generell und dem von Josef Huber entwickelten deutschen Programm im Besonderen¹. Es sei eine »Demontage der monetären Maschine« und verhindere eine dringend notwendige Re-Politisierung der monetären Souveränität, d.h. der Geldschöpfung.

Das klingt nach Unvereinbarkeit. Und dennoch kommt Sahr, nachdem er seine Munition gegen Vollgeld verschossen hat, zu einem erstaunlichen und zunächst etwas verwirrenden Fazit: »Eine auf die Betriebsprobleme der Maschine reagierende Geldschöpfungspolitik muss nicht auf eine derart radikale Demontage der monetären Maschine setzen. Vielversprechender scheint es doch zu sein, die Illusion einer ‚objektiven‘ und ‚neutralen‘ Makrosteuerung des Geldangebots, wie sie auch der Vollgeldreform vorschwebt, mit einer Vergesellschaftung des Leistungspotenzials im Sinne der oben abstrakt skizzierten Geldschöpfungspolitik zu verbinden. Dabei ist es keineswegs notwendig auf die Flexibilität einer kreditbasierten und dezentralen Architektur zu verzichten.«

Das ist nicht ganz einfach zu verstehen. Möchte Sahr nun selbst die Maschine demontieren, aber nicht so radikal wie Vollgeld? Das deutet auf Wiederannäherung hin. Aber wie soll man sich das genau vorstellen, was er als »vielversprechender« bezeichnet. Mit »neutraler« Makrosteuerung zielt er auf die monopolisierte, staatliche und technizistische Geldschöpfung der »Monetative«. Eine Institution, die der politischen Einflussnahme enthoben ist. Er bezeichnet dieses Programm als Illusion. Das ist logisch schlüssig mit seiner ursprünglichen Kritik. Wie aber soll es möglich sein, eine Illusion mit der Vergesellschaftung des Leistungspotenzials einer Geldschöpfungspolitik zu VERBINDEN? Oder macht Sahr Vollgeld ein überlegenswertes Angebot? Geht es ihm darum, Vollgeld von seiner Illusion des unpolitischen Geldes zu befreien? Diesem Ansinnen gebührt Unterstützung. Denn eine monetaristische Schlagseite hat Vollgeld, auch wenn Josef Huber das zurückweist.

Wird sich Josef Huber die Zeit nehmen, über das Angebot nachzudenken?

Konkrete Indizien dafür, dass da Standpunkte zueinanderpassen, lassen sich jedenfalls finden.

Zum Beispiel in der Frage des Kredits. Sahr wirft dem privaten Bankensektors vor, dass dieser es mit seiner kreditbasierten Geldschöpfung kaum mehr hinbekommen habe, »potenziell die neue Produktion neuer Überschüsse [zu] bewirken.« Er spricht auch unverblümt von den prozyklischen Blasenbildungen, insbesondere den Immobilienpreisblasen, durch die private Geldschöpfung. Da findet er sich in bester Gesellschaft mit Josef Huber. Und von diesem erfahren wir, dass es »der Zentralbank prinzipiell möglich bleiben [sollte], neues Geld auch per verzinslichem Kredit mit bestimmter Laufzeit in Umlauf zu geben«. Das heißt, dem Zugeständnis Sahrs an Vollgeld-Bedenken gegenüber der privaten Geldschöpfung steht eine Bereitschaft von Vollgeld gegenüber, eine kreditäre Geldvergabe sogar bei der Schöpfung von Zentralbank-Geld, also von Vollgeld!, nicht völlig auszuschließen.

Um beim Kredit zu bleiben. Sahrs Kritik an der Handhabung des »intermediären Kredits« durch Vollgeld ist nicht von der Hand zu weisen. Es geht um jene Kredite, die auf der Grundlage von schon geschöpftem Geld beruhen. Bei Vollgeld bleibt deren Problematik unterbelichtet und wird dadurch unterschätzt. Sahr weist zu Recht darauf hin, dass sich Vollgeld hier eine Abhängigkeit von Leihkapital schafft, die einen Machtgewinn von wenigen Superreichen bedeutet. Vollgeld muss über den intermediären Kredit weiter nachdenken. Sahr selbst schließt offenbar die Vergabe intermediären Kreditgeldes nicht aus. Es wird nur nicht recht deutlich deutlich, wie er die Gefahr ausschließen will, die er Vollgeld vorwirft. Sein Fokus liegt ja auf der Erstverwendung.

Sahr geht es letztlich darum, die schroffe Gegenüberstellung von staatlicher Geldschöpfung und privater Geldschöpfung abzuschwächen. Das Instrument hierzu ist für ihn die politische Konditionierung des Erstzwecks/der Erstverwendung sowohl von staatlichem Geld (Staatsanleihe) als auch von privatem Geld (Kreditvergabe).

Sahr sieht kein Problem darin, »gesellschaftliche Standards für die Produktion von Giralgeld zu setzen« und er sieht auch kein Problem darin, der Monetative vorzuschlagen, die Spielräume politischer Zahlungsfähigkeit zu erweitern und der Regierung neues Geld »zu politisch definierten Zwecken« zur Verfügung zu stellen.

Was kann Vollgeld dem Anliegen von Sahr entgegensetzen? Er sagt, bei der Konditionierung gehe es ihm darum, »die ‚Fließrichtung‘ neuen Geldes zu beeinflussen und damit die Struktur des Geldgeflechts – also wo (etwa im Häusermarkt, in der Industrie, in den Taschen der Verbraucher etc.) von wem (Zentralbank, Geschäftsbank), für wen (private Haushalte, Unternehmen, Staaten) und zu welchen Konditionen Kredite vergeben werden.« (340)

Sogar bei der Bewertung der Rolle des Zinses ist ein Brückenschlag möglich. Josef Huber meint, Zinsen seien ein Problem, aber keine Zinsen seien auch ein Problem. Da besteht Lernbereitschaft. Sahr meint, dass die Abhängigkeit staatlicher Zahlungsfähigkeit von einer Zinsbewertung durch private Märkte kein (reines) Schicksal sei. Er fordert von der Zentralbank, doch bedeutend entschlossener Staatsanleihen in die eigene Bilanz zu nehmen, wenn die privaten Zinsanbieter die Zinszahlungsbereitschaft der Zentralbank nicht akzeptieren.

Und da ist da noch das vielleicht dickste Argument dafür, dass Vollgeld und die »monetäre Maschine« miteinanderreden müssen. Das Rückgrat dieser Maschine ist das staatliche Geld. Das Forderungsgefüge fließt an der Spitze bei Zentralbank und Staat zusammen und endet dort in einem sich »selbstbefruchtenden« aber unvermeidbaren Kreislauf von staatlichem Wertpapier (Regierung) und geschöpftem staatlichen Geld (Zentralbank). Und dieses Geld verteidigt Sahr gegenüber dem mit »Argwohn« betrachteten Geld des privaten Geldschöpfers mit folgenden Worten: Es sei »gerade nicht als ‚bloßes Gelddrucken‘ zu verunglimpfen, weil gerade dann Geld zur Finanzierung von Arbeit und Produktion eingesetzt werden könnte; der Vorwurf einer Geldschöpfung zur eigenen Bereicherung anstatt zur Generierung neuer Produktionskapazitäten und neuer Überschüsse trifft den Privatsektor viel eher als den öffentlichen Sektor.«

Das ist Vollgeld pur!

1 Diesem Text liegt die Perspektive des Vollgeldprogramms der deutschen Monetative zugrunde.

Geschrieben von:

Franz Schneider

Emerierter Professor und Mitglied »Monetative e.V.«

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