Wirtschaft
anders denken.

Vom Hausbesetzer zum Millionär: Alfred Platow

18.02.2017
Alfred Platow, sitzend und mit Händen gestikulierendFoto: Ökoworld AGFrüher Hausbesetzer, später Alternativinvestor und erfolgreicher Unternehmer.

Was bewegt einen, erst Erziehungswissenschaften und Sozialarbeit zu studieren und dann zu einem Alternativinvestor und zum Gründer einer Kapitalanlagegesellschaft zu werden?

»Ökologie muss auch ökonomisch sein, sonst macht es keinen Sinn.« Solche Sätze gehen dem siebzigjährigen Vorstandsvorsitzenden Alfred Platow immer noch leicht über die Lippen. Die aktuellen Zahlen seiner Firma Ökoworld sprechen denn auch für seine These: Sie meldet für das erste Halbjahr 2016 »gute Geschäfte«. Das Volumen der Investmentfonds nahm um fast 100 Millionen auf 716 Millionen Euro zu; der Gewinn nach Steuern beträgt 5,8 Millionen Euro, ein Plus von 2,5 Millionen. Und auch für die etwa 50.000 Kunden und Kundinnen zahlt sich die »ethisch-ökologische« Vermögensberatung aus. Der »Ökoworld Ökovision Classic«, einer der ersten Nachhaltigkeitsfonds in Deutschland, warf laut Firmenangaben seit Mai 1996 pro Jahr eine stattliche Rendite von weit über 5 Prozent ab. In den letzten drei Jahren waren es sogar über 11 Prozent per anno.

Mit grünem Geld nachhaltig investieren

Ökoworld-Gründer Alfred Platow gilt als Pionier der Grüngeld-Szene; eine Szene, die sich heute vor allem auf Banken wie GLS- oder Umwelt-Bank konzentriert. Der ehemalige Hausbesetzer, »taz«-Unterstützer und Ökobank-Gründer ist seit Jahrzehnten im Geschäft mit nachhaltigen Geldanlagen aktiv. Zusammen mit Klaus Odenthal gründete er 1975 das kleine Versicherungskollektiv Alfred & Klaus. Die Zielgruppen: ökologisch orientierte Betriebe und Umweltorganisationen. Aus Alfred & Klaus wurde Versiko und später die Ökoworld AG. 1999 ging die Aktiengesellschaft an die Börse. Inzwischen bietet der Vermögensberater mit seinem Unternehmen sieben ausschließlich ethisch-ökologisch ausgerichtete Investmentfonds an.

Der flotte Bartträger wollte das sauer verdiente Geld von Ökos, Schwulen und Autonomen einsammeln und vernünftig anlegen. Aber er reklamiert für sich auch eine gesellschaftspolitische Rolle: »Wir haben es über die Jahre geschafft, in der stark konventio­nell beherrschten Bankenwelt als kleine Boutique unsere Duftmarke zu hinterlassen.« Platow als Vorbild. Heute werden im deutschsprachigen Raum immerhin über 300 nachhaltig orientierte Invest­mentfonds angeboten. Viele davon wurden von Banken und Sparkassen aufgelegt. Und die Allianz-Versicherung ist heute einer der größten »grünen« Investoren.

Darf es Gewinne mit gutem Gewissen geben?

In der grünen Gründerzeit war Platow eher Außenseiter. »Gewinn mit guten Gewissen« galt vielen linken Aktivisten als schmuddelig. Dort, wo dieses Prinzip weniger verpönt war, tobte und tobt bis heute der Streit um die reine Lehre: Wo darf das Geld dieser Fonds angelegt werden und wo nicht? Ziemlich einig war man sich schnell bei den Negativkriterien: Unternehmen, die mit Atom und Rüstung zu tun haben oder die gar Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben, die gehen gar nicht.

Aber worin soll investiert werden? Was gilt als positiv? In den 1980er-Jahren – 1983 ziehen die Grünen in Westdeutschland erstmals in den Bundestag – wetteiferte ein Dutzend Fonds um die Frage, ob nur Unternehmen grünes Geld verdienen, die zu 100 Prozent ökologisch, sozial und ethisch »sauber« sind. Oder ist das relative Prinzip des Best-in-Class auch okay? Als Best-in-Class gilt das Unternehmen in einer Branche, das von allen das ökologischste ist; also der Klassenbeste.

Harte Kritierien für Unternehmen

Die Gelder des Platow-Classic-Fonds werden beispielsweise nur in Unternehmen investiert, die ein gutes Dutzend selbst aufgestellter Positiv-Kriterien erfüllen – und Klassenbeste müssen sie auch noch sein. Alfred Platow beschreibt das Anliegen so: »Das Menschsein, dessen Wohlergehen und dessen Zukunftsfähigkeit, steht für unsere Anleger und uns als Anbieter im Mittelpunkt.« Das lässt Kompromisse zu.

Ökoworld investiert mit seinen Fonds bevorzugt in Unternehmen, die Umweltprodukte und sozialverträgliche Produkte vertreiben oder Dienstleistungen anbieten, die eine nachhaltige Entwicklung fördern. Ein Beispiel: das dänische Unternehmen Vestas, das Windmühlen herstellt und darin Weltmarktführer ist. Geld wird aber auch in herkömmliche Aktienge­sellschaften investiert, wie in den Konsumgüter-Hersteller Henkel, da geht es um nachhaltigen Kon­sum und fairen Handel, oder den Software-Hersteller SAP. Ein 11-köpfiger Anlageausschuss aus Fach­leuten überprüft die Fonds-Kandidaten anhand der Liste der Positivkriterien.

Recherche treibt gebühren hoch

Um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, wird über die Unternehmen, in die investiert werden soll, aufwendig recherchiert. Das kostet viel Geld. Dafür zahlen diejenigen, die bei Ökoworld ihr Geld anlegen, entsprechend hohe Gebühren und Ausgabeaufschläge; Platows Fonds zählen nicht zu den Billigheimern in der Investmentbranche. Kritiker stört auch, dass die Kapitalanlagegesellschaft Ökoworld Lux S. A. ihren Sitz in der Steueroase Luxemburg hat. Allerdings: Viele dieser Fonds sind dort. Ein wichtiger Grund: Fonds, die in ihrer Anlagestrategie nicht allein auf Rendite setzen, sondern auch ethische und andere Kriterien berücksichtigen, wurden lange fast nur von der Luxemburger Finanzaufsicht akzeptiert.

Gesunde Gewinne statt maximale Gewinne

Alfred Platow will den Kapitalismus nicht umkrempeln oder in Gänze in Frage stellen. Er kritisiert vor allem »die Gewinnmaximierung um jeden Preis«. Er hat »eine gesündere Gewinnorientierung« im Blick, Mensch und Moral müssten in der Wirtschaft eine größere Rolle spielen. »Bewusster« müsse das kapitalistische System werden, »nicht nachhaltig, sondern, wie ich es nenne, vorhaltig orientiert«. Er ist überzeugt, dass der Kapitalismus Ökologie und Ethik »nicht grundsätzlich missachtet oder ausschließt«. Aber: Er fördere Egoismus und Gier schon stark und komme so »dem Menschsein ordentlich ins Gehege«.

Auf die Frage, was das jetzige System für ihn sei, eine soziale Marktwirtschaft oder ein rein profitgieriger Finanzkapitalismus, antwortet Platow: »Beides. Leider schließt die soziale Marktwirtschaft den profitgierigen Finanzkapitalismus nicht gänzlich aus, sondern schränkt diesen nur geringfügig ein. Umso mehr in Zeiten einer entfesselnden Globalisierung, die alle moralischen Fesseln zu sprengen scheint.«

Dieser Beitrag erschien in der Novemberausgabe von OXI.

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Geschrieben von:

Hermannus Pfeiffer

Wirtschaftspublizist

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