Wirtschaft
anders denken.

Von Menschen und Mäusen: das Managerporträt

31.05.2016
Zwei Füße in High Heels gehen eine Treppe hinaufFoto: Matthias Uhlig / Flickr CC-BY 2.0 LizenzIn Managerporträts werden Unternehmer oft auf ihr Schuhwerk reduziert. Oder?

Das Manager-Porträt ist ein besonderes Genre. Hier geben sich Autoren großer Zeitungen ganz ungeniert ihrer Bewunderung für die Mächtigen hin. Um Frauen geht es dabei auch manchmal – am Rande.

Eine journalistische Form, Männern, die an der Spitze der Macht stehen (es kann sich also nicht um Politiker handeln) Glaubwürdigkeit zu verleihen und eine sympathische Aura auf den Leib zu schreiben, ist das Porträt. Interviews klingen manchmal, als hätte jemand sich selbst befragt und dabei alles, was heikel und unangenehm werden könnte, weggelassen. Porträts erwecken nicht selten den Eindruck, als sei es dem oder der Porträtierten gelungen, jemanden charmant und klug um den Finger zu wickeln.

Wenn es um die Großen der Wirtschaft und Finanzindustrie geht, ist in letzter Zeit verstärkt eine Neigung zur »Tellerwäscherstory« zu beobachten. Vor allem dann, wenn die Männer, um die es geht, in der Öffentlichkeit als Inkarnation des Turbokapitalismus wahrgenommen werden.

Wenn es um die Großen der Wirtschaft und Finanzindustrie geht, ist eine Neigung zur »Tellerwäscherstory« zu beobachten.

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Viele Menschen – und darauf sollte man nicht naserümpfend schauen – glauben zutiefst an die Geschichten vom sozialen Aufstieg. Wenn es einer aus ganz eigener Kraft geschafft hat, ist das zugleich auch die Verheißung einer Möglichkeit. Ganz alte Geschichte, nie aus der Mode gekommen.

Und gern wird bei diesen alten Geschichten auf ebenso alte Sprichworte gesetzt. Da wurde einem nichts in die Wiege gelegt, jemand wurde nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, hat ganz klein angefangen, immer den Pfennig geehrt, von der Pike auf gelernt. Christopher Bailey, neuer Chef der englischen Luxusfirma Burberry, wurde in der Süddeutschen Zeitung vom 19. Mai 2016 als »der Aufsteiger, der aus einfachen Verhältnissen« stammt, dargestellt, aufgewachsen im ländlichen Yorkhire in Nord-England. Einfache Verhältnisse – damit können viele etwas anfangen. Auch wenn wir fast alle in komplizierten Verhältnissen leben. Über John Cyran, seit Juli 2015 neuer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, schrieb die SZ am 14. Mai in einem langen und ansonsten sehr guten Hintergrundtext über die Deutsche Bank: »Cyrans Zurückhaltung könnte mit seiner Herkunft zu tun haben. Seine Mutter starb früh, der Vater, ein Jazzmusiker, spielte im legendären Londoner Club Ronny Scott’s. Dem jungen Cyran blieben Bücher.«

Der Junge aus einfachem Hause – ein beliebtes Motiv

Das ist eine schöne und sicher auch wahre Geschichte, die Wortwahl klingt ein bisschen nach »Vom Winde verweht«, aber Cyran, der – wie die Zeitung an anderer Stelle schreibt – den »genetischen Code des Hauses« (der Deutschen Bank) ändern will, kommt uns plötzlich nah oder zumindest näher. Ein Junge aus einfachem Hause, der nur seine Bücher hatte. Kann der heute dafür seiner Bank, die gerade einen schlechten Ruf hat, einen neuen genetischen Code schreiben – sprich Compliance Regeln, die sich in der Öffentlichkeit so gut machen und nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen? Wohl doch, der wird doch nicht vergessen haben, wo er herkommt, und welche Leute, da wo er herkommt, leben?

Wenn die Tellerwäscherstory nicht im Angebot ist, gibt es andere Möglichkeiten, uns den Menschen näherzubringen, um den Banker in den Hintergrund treten zu lassen.

Im Handelsblatt wurde am 17. Mai 2016 Jürgen Fitschen porträtiert, gemeinsam mit Anshu Jain Vorstandschef der Deutschen Bank – ein Posten, den er nun aufgibt, und deshalb werden Nachrufe auf den Mann veröffentlicht. »Man muss sich Jürgen Fitschen in diesen Tagen des Teilabschieds vielleicht nicht als glücklichen, aber doch als gelassenen Mann vorstellen. Einen, der seinen Frieden gemacht hat mit den Rückschlägen und Verletzungen der vergangenen Jahre. Einen Banker der alten Schule, der sich bald ganz auf das konzentrieren kann, was ihm am meisten Freude bereitet, das Banking alter Schule.« (Handelsblatt, 17. Mai 2016, nur Printausgabe)

Wie ein »Banker alter Schule« sympathisch geschrieben wird

Ein Banker alter Schule verlässt die Deutsche Bank. Jene Bank, die trotz Milliardenverlusts 2015 gut zwei Milliarden Euro Gehälter an ihre 2.000 SpitzenbankerInnen gezahlt hat. Jene Bank, deren einstiger Chef Josef Ackermann eine Rendite von 25 Prozent versprochen hatte, die niemals seriös (von Anstand reden wir gar nicht) erwirtschaftet werden konnte. Jene Bank, die Zinssätze manipuliert und sich an Immobilienspekulationen beteiligt hat, in deren Folge Menschen Haus und Existenz verloren. Jene Bank, die hochriskante Geschäfte tätigte und tätigt im Wissen darum, dass der Staat sie immer auffangen wird, weil er weiß, wen sie ansonsten mit in den Abgrund reißt. Und in einer solchen Bank sitzt der Banker alter Schule und leckt seine Wunden.

Fitschen, der Anständige – so nennt ihn das Handelsblatt und vergleicht ihn mit den beiden Männern, die nun die Bank führen: »Jain der enthusiastische Überflieger, der gewiefte Händler, und Cyran, der nüchterne Sanierer, der kühle Analytiker mit dem traurigen Blick.«

Gut, das mit dem traurigen Blick ist unterste Schublade, aber die Verwendung von Adjektiven (faul sind sie fast alle) kann schon verräterisch sein. Kühl ist natürlich was Anderes als kalt, ein gewiefter Typ ist kein Arschloch, enthusiastisch ist immer gut und nüchtern in diesen Zeiten der Aufregung wichtig.

Das sind die Neuen in den Augen des Handelsblatt, und das hier war der Alte: »Auch mit 67 noch drahtig und kantig, schon äußerlich ein Muster an Bodenständigkeit, war Fitschen auf die Rolle des guten Deutsch-Bankers abonniert. (…) Die neue Freiheit will er auch nutzen, um den Bücherstapel, der sich aufgetürmt hat, nach und nach abzutragen. Und dann sind da natürlich noch seine Pferde, die er auf einem Hof in der Lüneburger Heide ausbilden lässt.«

Um Frauen geht es auch. Genauer gesagt um ihre Schuhe

Zurück zur SZ. In ihrem Dossier über die Deutsche Bank vom 14. Mai (es ist wirklich lesenswert und gut!) geht es auch um Sylvie Matherat, die einzige Frau im Vorstand, eine Seitenwechslerin, die mal bei der Bankenaufsicht gearbeitet hat. Sie sei, schreibt die Zeitung, dafür zuständig, dass die Deutsche Bank wieder ehrenhaft wird. Das Adjektiv ehrenhaft im Zusammenhang mit der Deutschen Bank zu verwenden, ist an sich schon mutig. Noch mutiger ist, wenn man über die einzige Frau in dem Laden schreibt: »Sie war den ganzen Tag auf High Heels in Berlin unterwegs, Finanzministerium und Bundestag…«

High Heels, einzige Frau, an anderer Stelle Ordnungshüterin genannt. Und dann wieder Cyran im gleichen Text: »›Wir brauchen stabile Kundenverbindungen, nur so ist langfristiger Erfolg möglich‹, sagt er und schlägt im Takt – stabil, langfristig, Erfolg – mit der Handkante auf den Tisch.«

So ist es halt: Die eine bittet in hochhackigen Schuhen bei der Politik um mehr Vertrauen, der andere haut auf den Tisch.

Geschrieben von:

Kathrin Gerlof

OXI-Redakteurin

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