Vor der Europawahl: Rechte legen zu, Konservative und Sozialdemokraten verlieren
Bis zur Europawahl sind es nicht einmal mehr 100 Tage – und wie die ausgehen könnte, zeigt nun eine große europaweite Prognose. Das Europäische Parlament hat dazu die Ergebnisse nationaler Umfragen aus dem Februar ausgewertet.
Demnach »wäre die extrem rechte ENF-Fraktion (Europa der Nationen und der Freiheit) der größte Gewinner der Wahl. Die Fraktion würde demnach mit 22 zusätzlichen Mandaten auf 59 Sitze kommen und damit zur viertstärksten Kraft werden«, meldet die Agentur AFP. Europaweit bliebe laut der Zahlen des Europäischen Parlaments »die EVP-Fraktion (Europäische Volkspartei) stärkste Kraft im EU-Parlament, würde aber statt bisher 217 nur noch 183 Sitze gewinnen… Auch die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D) würde demnach deutlich verlieren und statt bisher 186 Abgeordneten nur noch 135 Parlamentarier stellen. Die liberale Alde-Fraktion würde mit leichten Zugewinnen (75 statt bisher 68 Sitze) von der viertstärksten zur drittstärksten Fraktion«, wie es in der Nachricht hier beim »nd« heißt.
Die linke Europafraktion GUE/NGL, die bisher 52 Mandate zählt, könnte laut der Berechnungen des Europaparlaments auf 46 Sitze kommen. Der grünen Fraktion werden 45 Mandate zugetraut – bisher hatten sie ebenfalls 52.
Auch die »Welt« hat sich der Prognose angenommen: »Ein wirklich zuverlässiges Stimmungsbild für die Wahlen im Mai zu erstellen, ist allerdings schwierig«, heißt es da unter anderem. »Das Parlament wird wegen des Brexits nicht nur um 46 Sitze kleiner, was einen Vergleich mit derzeitigen Machtverhältnissen erschwert. Auch existieren derzeit in den wenigsten EU-Ländern dezidierte Umfragen, die sich auf die EU-Wahl beziehen. Daher mussten die Statistiker die verfügbaren Daten nutzen, die fast allesamt auf die nationale Politik abzielen.« Das Ergebnis wird hier so zusammengefasst: »Mitte- und Linksgruppierungen, mit Ausnahme der Liberalen« müssten »samt und sondern Federn lassen. Allerdings kann mitnichten von einem Erdrutsch-Sieg der Rechten und Populisten die Rede sein.«
Auf der Website des Europaparlaments lassen sich die Prognosen für jedes der einzelnen Ländern aufrufen. Für die Bundesrepublik wurde dabei auf eine Umfrage von Anfang Februar zurückgegriffen – Ergebnis: Die Union würde statt bisher 34 nur noch 29 Sitze (30 Prozent) erhalten. Die Grünen könnten mit 17 Mandaten rechnen (17 Prozent), die SPD mit 15 (statt bisher 27, 15 Prozent), die rechtsradikale AfD würde mit 12 Prozent 12 Mandate erringen, FDP und Linkspartei jeweils 8 Sitze (je 8 Prozent). Die Freien Wähler kämen auf 3 Mandate, die Piraten und die Tierschutzpartei auf jeweils einen Sitz.
Es hat seither allerdings noch eine weitere Umfrage in der Bundesrepublik gegeben – zwei Wochen später. Laut dieser Zahlen wuchs die Zustimmung zur Union auf 33 Prozent, die der Grünen auf 19 Prozent, die SPD stand bei 18 Prozent, die FDP bei 7 Prozent und die Linkspartei bei 6 Prozent. Die AfD erreicht in dieser Umfrage 10 Prozent.
Bei euractiv.de sind die Vorausberechnungen des Europaparlaments ebenfalls Thema: Dort schaut man sich besonders die möglichen Folgen für die Mehrheitsfrage an: Europäische Volkspartei und Sozialdemokraten werden »im künftigen Parlament über keine absolute Mehrheit mehr verfügen, also unter die 50-Prozentmarke fallen. Grund ist vor allem die anhaltende Krise bei den sozialdemokratischen Parteien«, heißt es dort. »Als dritte Kraft dürfte künftig die liberale ALDE fungieren. Dadurch wird auch sie bei den künftigen Postenbesetzungen in der Kommission ein starkes Wort mitreden.« Die ALDE profitiere »auch von Emmanuel Macron, der zwar nicht direkt Mitglied werden, aber mit ALDE einen Schulterschluss bilden will.«
Zur Frage, wie stark rechte Parteien abschneiden, heißt es bei euractiv.de, »die rechtspopulistische Fraktion, in welcher der französische Rassemblement National, die niederländische Partij voor de Vrijheid, die italienische Lega und die österreichische FPÖ beheimatet sind, liegt derzeit auf dem vierten Platz«. Auch sei unklar, »wer mit wem letztlich eine Fraktion bilden wird. Davon betroffen ist auch die ENF, weil es hier intern erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit Marine Le Pen gibt, die eine stärkere Rolle in der Gruppe spielen möchte. Unsicher ist bedingt durch den Brexit auch der Bestand der konservativen ECR, die mit dem Ausscheiden der britischen Konservativen einen schweren Aderlass erleidet«.
Im Vorfeld der Europawahl wird das Europäische Parlament bis Ende April zweimal pro Monat – im Mai bis zur Wahlnacht sogar wöchentlich – aktualisierte Umfragen zu den Wahlabsichten in den 27 Mitgliedstaaten der EU veröffentlichen.
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