Wirtschaft
anders denken.

Vorsicht, bitte »die Wirtschaft« nicht so »belasten«! Und Danke, Herr Trump

27.12.2017
aus einem Propagandamaterial der INSM

Ohne »die Wirtschaft« läuft bekanntlich nichts. Ihre Gewinne sind unser Segen, sie zu schützen und zu mehren ein Gebot. Dabei spielt es keine Rolle, ob es schlecht läuft oder gut. Unternehmenssteuern? Sagen Sie einfach nur immer wieder: »Entlastung«.

Wenn es »der Wirtschaft« schlecht geht, was immer sie gerade darunter versteht, ruft sie nach steuerlicher Entlastung. Und wenn es »der Wirtschaft« gut geht, macht sie was? Genau: Sie ruft nach steuerlicher Entlastung. In dem einen Fall wird das damit begründet, dass »die Wirtschaft« im Wettbewerb nicht gegenüber ander Standorten »benachteiligt« werden dürfe, denn als solche Benachteiligung betrachtet »die Wirtschaft« einen angemessenen Beitrag am Gemeinwesen. In dem anderen Fall warnt »die Wirtschaft« mit Blick auf gute Konjunktur und satte Gewinne, dies werde nicht immer so bleiben – weshalb auch jetzt steuerliche Entlastung ganz dringend nötig sei.

Da nun neuerlich Sondierungen zu einer Regierungsbildung anstehen, wird das Geklapper wieder lauter. »Wir brauchen eine steuerliche Entlastung für die Wirtschaft«, sagt zum Beispiel Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Der Kollege von der Industrielobby BDI, Dieter Kempf, formuliert es so: »Die Exportnation Deutschland muss angesichts großer globaler Risiken zukunftsfest werden – und das schnellstmöglich.« Und wie geht das? Natürlich, in dem man die nächste Regierung »ermahnt«, die »Belastungen der Unternehmen zu reduzieren«. Oder, wie es der als »Arbeitgeberpräsident« bezeichnete Präsident derer, die die Arbeit anderer »nehmen«, also Ingo Kramer, sagt: »Eine neue Regierung muss uns engagierten Unternehmern mehr Gestaltungsspielräume geben«, worunter jeder natürlich gleich versteht: »Finger weg« von neuen »finanziellen Belastungen für die Unternehmen«.

… verdienen so viel Geld wie nie zuvor

Die »Belastungen« sind so groß, dass es Anlass für Meldungen wie diese gibt: »Die 100 umsatzstärksten börsennotierten deutschen Unternehmen verdienen in diesem Jahr so viel Geld wie nie zuvor.« Das ist zwar nicht die ganze »die Wirtschaft«, aber man kann sich eine ungefähre Vorstellung machen, wie es in »der Wirtschaft« läuft: Der Gewinn der genannten Konzerne stieg »in den ersten neun Monaten 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 21 Prozent auf knapp 109 Milliarden Euro. Der Gesamtumsatz der 100 Firmen kletterte in den ersten drei Quartalen um knapp sieben Prozent auf 1,25 Billionen Euro.« Und wie ist das so in »die Wirtschaft« verteilt? »Von den 100 umsatzstärksten Unternehmen schafften 76 einen Gewinnanstieg, sogar 84 konnten ihren Umsatz erhöhen.«

Die »Frankfurter Allgemeine«, die sich rührend für die Belange »der Wirtschaft« einsetzt, erinnert uns in der Meldung über die rekordhaften Gewinne aber natürlich daran, nicht in allgemeinen Taumel über »die Wirtschaft« zu verfallen und etwa auf Straßen ihren Ruhm tanzend anzupreisen. Zwar läuft der Laden, aber siehe oben: »Die Interessenvertreter der deutschen Unternehmen«, das ist ein ziemlich lautstarker Teil von »die Wirtschaft«, hätten auch »mahnende Worte« für die kommende Regierung gefunden. Sie wissen schon: »Handlungsbedarf sehen die Verbände außerdem bei den steuerlichen und sonstigen Finanzbelastungen für Firmen.«

… brauchen wir deutliche Entlastungen der Wirtschaft

Bevor nun jemand kleinlich darauf hinweist, dass genau dieselbe »die Wirtschaft« doch gerade bekundet habe, »mit hoher Zuversicht in das Jahr 2018« zu gehen, es also mit den Belastungen gar nicht so schlimm sein könne, was sich ja auch in den Gewinnzahlen ausdrückt, sei daran erinnert, dass 109 Milliarden Euro in drei Quartalen ja nicht genug sein müssen. Dürfen. Können. Sollten.

Und außerdem, ein Glück, dass es ihn gibt, ist das dieser Donald Trump. Der hat gerade in einem Akt für sich selbst und »die Wirtschaft« die Unternehmensteuerbelastung auf insgesamt 25 Prozent gesenkt. »Jede neue Bundesregierung muss sich diesem verschärften internationalen Wettbewerb stellen«, fordert der BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. »Die Wirtschaft«, der es so gut geht, kann nun nämlich damit drohen, es gebe »erhebliche Anreize, Investitionen in die USA zu verlagern«. Oder, wie es die mittelständischen Maschinenbauer vom VDMA sagen, auch ein Teil von »die Wirtschaft«: Die nächste Bundesregierung werde sich dem neuen Steuerwettbewerb »konstruktiv stellen müssen«.

Wie? Da zitieren wir noch einmal Herrn Schweitzer vom DIHK: »Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, brauchen wir eine Steuerreform mit deutlichen Entlastungen der Wirtschaft.« Oder, wie die »Initiative Neue Steuerentlastung«, Entschuldigung: die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« weiß: »ob es gefällt oder nicht: Deutschland, zumal als größte Volkswirtschaft der EU, steht international und europäisch in einem immer stärker werdenden Steuerwettbewerb«. Auch sie winkt ein wenig versteckt Richtung USA und dankt, die Trumpsche Steuerreform dürfte »auch den Handlungsdruck auf die Politik hierzulande erhöhen, Entlastungen zu prüfen – auch für die Bürger. Es ist Zeit, die Bürger zu entlasten.« Die haben zwar nicht ganz so »erhebliche Anreize, Investitionen in die USA zu verlagern« wie »die Wirtschaft«. Aber mal ehrlich: »Die Wirtschaft« und »die Bürger«, das ist doch eigentlich dasselbe.

Geschrieben von:

Vincent Körner

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