VSA wird 50!
Mit Blick für die Arbeiterklasse und darüber hinaus publiziert der Hamburger VSA Verlag nun schon ein halbes Jahrhundert.
1971 als Verlag zum Studium der Arbeiterbewegung in West-Berlin gegründet, wurde der VSA Verlag 1972 von einer Gruppe um Joachim Bischoff, der zum seit Ende der 1960er Jahren bestehenden Projekt Klassenanalyse gehörte und gemeinsam mit sieben anderen im Zuge von heftigen Auseinandersetzungen in der Zeitschrift SoPo aus deren Redaktion ausschied, übernommen.[1] Eine detaillierte Geschichte zu diesen Vorgängen und der Entwicklung des Verlages seither sowie seiner prinzipiellen Bedeutung, muss freilich noch geschrieben werden. Schlaglichtartig festzuhalten ist: VSA hat als unabhängiger, linker Verlag bis heute überlebt und die linke, bundesrepublikanische Diskussion insbesondere um Staat, Demokratie, Kapitalismus, linke Geschichte und Gewerkschaften mit wertvollen Büchern begleitet, dokumentiert und mitbestimmt. Hinzu kommen Themen wie internationale Beziehungen, hier insbesondere die Themen Macht und Frieden, die Kritik der politischen Ökonomie, Klima. Überhaupt hat der Verlag stets Bücher am linken Puls der Zeit veröffentlicht. Das Profil ist von einer thematischen wie innerlinken Pluralität gekennzeichnet, die freilich etwa in Fragen der Marx- und Kapitel-Interpretation ihre engen Grenzen hat. Die Arbeiterbewegung wird bis heute nicht aus den Augen verloren und regelmäßige Übersetzungen sichern den internationalen Austausch. Seit 1972 erscheint im Verlag die Zeitschrift Sozialismus und seit 1997 wird hier das bedeutende Jahrbuch Socialist Register im deutschsprachigen Raum vertrieben. Ab 1979 in Hamburg ansässig, erscheinen auch Bücher zum Kontext der Hansestadt und der Stadtentwicklung. Regelmäßig veröffentlicht werden Publikationen von attac und ihrem Umfeld und seit 2012 auch Bücher von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Vor allem um die marxistische, materialistische Staatstheorie hat sich der Verlag besonders verdient gemacht. So mit der 1978 erfolgten Übersetzung von Nicos Poulantzas Staatstheorie, die seit 2002 in einer Neuauflage durchgängig erhältlich ist und seither um die blauen Bände Poulantzas lesen (2006)[2], Autoritärer Etatismus im Neoliberalismus (John Kannankulam, 2008) und Mit Poulantzas arbeiten ( 2018) ergänzt wurde. Joachim Hirsch legte 2005 sein Hauptwerk Materialistische Staatstheorie. Transformationsprozesse des kapitalistischen Staatensystems[3] vor, 2010 erschien bei VSA auch die von Frieder Otto Wolf verantwortete Neuausgabe von Althussers Ideologie und ideologische Staatsapparate. Frank Deppe veröffentlichte ab 1999 bis in die 2000er Jahre sein mehrbändiges Hauptwerk zum Politisches Denken im 20. Jahrhundert und auch die deutsche Bourdieu-Rezeption wurde mit der Herausgabe mehrerer Bände mitgestaltet. Viele vergriffene Bücher wurden vom Verlag als frei verfügbare PDF-Dateien über die eigene Verlagsseite zugänglich gemacht, es wäre äußerst verdienstvoll, wenn dieses auf alle nicht mehr lieferbaren Titel ausgeweitet wird. Vor allem jüngeres linkes Publikum kann hier vieles entdecken, was zur Geschichte der Linken gehört. Bleibt zu hoffen, dass der Verlag als wichtiges Standbein linker Publizistik noch lange erhalten bleibt. Sieben vollangestellte Menschen sorgen für rund 40 bis 50 Neuerscheinungen pro Jahr. Das angekündigte Programm für 2022 lässt Vorfreude aufkommen und präsentiert einige Verlagsklassiker in neuem Gewand. Ein bitterer Verlust war der überraschende Tod von Marion Fisch im Januar diesen Jahres, der das 50. Verlagsjubiläum überschattet.[4]
[1] David Bebnowski: Kämpfe mit Marx. Neue Linke und akademischer Marxismus in den Zeitschriften »Das Argument« und »PROKLA« 1959-1976, Göttingen 2021, S. 302, mit Verweis auf Uwe Sonnenburg: Von Marx zum Maulwurf. Linker Buchhandel in Westdeutschland in den 1970er Jahren, Göttingen 2016,, S. 197ff.
[2] Da vergriffen, hier als PDF verfügbar.
[3] Hier als PDF herunterzuladen.
[4] Siehe dazu den Nachruf Marion Fisch (4.11.1968–16.1.2022).
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