Wirtschaft
anders denken.

Was ein Donut mit Nachhaltigkeit zu tun hat: Über Kate Raworths Versuch, eine Ökonomie des 21. Jahrhunderts zu begründen

23.03.2018

Kritikpunkte an der Mainstream-Ökonomie, überzeugende Bilder für alternative Ansätze: Kate Raworth fordert in ihrem neuen Buch »Doughnut Economics« nichts Geringeres als eine Revolution der Volkswirtschaftslehre.

»Seven Ways to Think Like a 21st-Century Economist« verspricht Kate Raworth im Untertitel der englischen Ausgabe ihres Buches »Doughnut Economics« – sieben Wege, eine neue Ökonomie der Zukunft zu denken. Raworth fordert in ihrer neuesten Veröffentlichung nichts Geringeres als eine Revolution der Volkswirtschaftslehre. Die Autorin sammelt Kritikpunkte an der Mainstream-Ökonomie und vermittelt diese gebündelt in einer leicht verständlichen und unterhaltsamen Sprache.

Was ihrer Meinung nach im 21. Jahrhundert gebraucht wird, ist nicht die althergebrachte neoklassische Wirtschaftswissenschaft des 20. Jahrhunderts, sondern das von ihr vertretene Konzept des Donuts. Doch was ist damit gemeint?

Wer bei dem Begriff »Doughnut Economics« an fetttriefende und zuckrige Kalorienbomben denkt, liegt falsch: Der Donut ist Raworths grafisches Gegenkonzept zu den Angebots- und Nachfragekurven der Neoklassik. Statt auf ein ewig steigendes Bruttoinlandsprodukt zu setzen, das ganz nebenbei und wie durch Zauberhand sämtliche Öko- und Verteilungsfragen löse, formuliert die britische Forscherin ein anderes ökonomisches Ziel: das Decken der Bedarfe aller im Rahmen der Mittel und Möglichkeiten unseres Planeten. Oder anders formuliert: Unsere Art zu wirtschaften sollte soziale Mängel und planetarische Übernutzung vermeiden.

Visuelle Schlichtheit gegen neoklassisches Denken

Grafisch verdeutlicht sie dies anhand des Donuts. Die soziale Fundierung stellt den inneren Kreis, die ökologische Begrenzung den äußeren Kreis des Donuts dar. Zwischen diesen liegt der Bereich, in dem sozial gerecht und ökologisch nachhaltig gewirtschaftet wird.

Raworth versucht mit dieser Allegorie die herkömmliche Ökonomik mit ihren eigenen Waffen zu schlagen: Die neoklassische Denkschule überzeuge mit visueller Schlichtheit. Die meisten Schlüsselkonzepte und -ideen lassen sich auf leicht verständliche Grafiken herunterbrechen und werden noch heute so vermittelt. Grafiken wie beispielsweise Angebots- und Nachfragekurven oder Kreislaufzeichnungen sind besonders einprägsam.

Raworth fordert hier unter Referenz auf den Systemtheoretiker John Sterman besondere Wachsamkeit: Die wichtigste Annahme eines Modells sei die Entscheidung, was nicht im Modell enthalten ist. So ist es kein Zufall, dass Energie, Umwelt und Gesellschaft in den meisten neoklassischen Modellen keine Rolle spielten – in ihrem Konzept ist das anders.

Drei-Sphären-Modell aus Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie

Dieser Ansatz ist jedoch nicht neu: Ökologische Ökonom*innen vertreten seit Jahrzehnten ein Drei-Sphären-Modell aus Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie. Raworths Buch macht darüber hinaus aber deutlich, dass die Kraft des visuellen Framings gerade in wirtschaftspolitischen Debatten nicht zu unterschätzen ist und auch Kritiker*innen der aktuellen Wirtschaftsordnung in ihren Gegenentwürfen prägt.

Der Donut ist zweifelsohne ein geschickt gewähltes Marketing-Bild, das ebenso eingängig ist wie die althergebrachten Grafiken der VWL. Das Symbol einer ausufernden westlichen Konsumgesellschaft zum Schlüsselbild der Nachhaltigkeit zu machen ist zudem absurd genug, um aufzufallen und im Kopf zu bleiben.

Neben der Abkehr von der Fixierung auf das BIP-Wachstum fordert Raworth auch die Abkehr vom Bild des Homo oeconomicus. Menschen seien stattdessen sozial anpassungsfähige Wesen. Hier nennt sie gezielt gesetzte »Anstöße« als Strategie, um Menschen zu sozial verträglichem Verhalten anzuregen, was oftmals effektiver sei als Regulierungen. Unserer Meinung nach bleibt sie hier allerdings zu unkritisch: Die Frage nach Transparenz und Legitimation des inzwischen im Mainstream der Wirtschaftswissenschaften angekommenen und auch von ihr propagierten Nudgings wird nicht gestellt. Verantwortung und Reparaturen im Wirtschaftssystem werden wieder auf die individuelle Ebene verlegt. Größere, systemische Veränderungen werden hingegen nicht thematisiert. So ist das Buch nicht ganz so progressiv, wie der englische Untertitel suggeriert.

Leichter Einstieg in die Kritik der neoklassischen VWL

Raworth bietet mit »Doughnut Economics« aber einen leichten Einstieg in die Kritik der neoklassischen VWL sowie in die aktuellen Debatten zu Nachhaltigkeit und Postwachstumstheorien. Für Leser*innen, die sich schon eingehender mit den Inkonsistenzen und der fehlenden sozial-ökologischen Verantwortung in den Wirtschaftswissenschaften beschäftigt haben, gibt es auf den ersten Blick inhaltlich nicht viel Neues – quasi einen alten Donut im neuen Karton.

Lohnenswert ist die Lektüre jedoch auch für diese Gruppe, da die verschiedenen Argumente gut formuliert und miteinander verknüpft werden. So bietet das Buch viele Ausgangspunkte für spannende Diskussionen und die konstruktive Weiterentwicklung der Ökonomie. Raworth macht deutlich, wie wichtig Wirtschaft für unser Zusammenleben ist und wie viel davon abhängt, dass wir die Motive bisherigen Wirtschaftens grundlegend ändern. Für diese neuen Diskussionen müssen überzeugende Bilder entwickelt werden.

Kate Raworth: Doughnut Economics: Seven Ways to Think Like a 21stCentury Economist Random House Business 2017. Die Autorin bloggt hier.

Auf Deutsch unter dem Titel »Die Donut-Ökonomie: Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört« im Carl Hanser Verlag ab März 2018 erhältlich.

Geschrieben von:

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