Wasser bleibt nur durch zivilen Widerstand ein öffentliches Gut
Ginge es nach der Quadriga, wäre Wasser in Griechenland ein privates Gut. Ganz im Sinne des Privatisierungswahns, der mit der EU-Austeritätspolitik einhergeht. Doch nicht nur auf EU-Ebene gibt es dagegen Widerstand.
Was das öffentliche Gut Wasser betrifft, sind bisher auf EU-Ebene die Kämpfe gegen dessen Privatisierung erfolgreich gewesen. 2013 schaffte es eine breite europäische BürgerInneninitiative mit Hilfe von 1,5 Millionen Unterschriften von Menschen aus sieben Ländern, dass die Europäische Kommission Wasser von der Liste jener Rohstoffe strich, die privatisiert werden können. Das Erfreuliche daran ist die Erfahrung, dass zivilgesellschaftliches Engagement das Potenzial hat, Privatisierungen zu verhindern.
Die Bewegungen gegen Wasserprivatisierung gehören in Griechenland zu den stärksten und am besten organisierten. Auch hier wurde über Jahre der Privatisierungsprozess bei Wasser immer wieder gestoppt oder unterbrochen. Dabei fanden sich produktive Allianzen zwischen den Beschäftigten-Verbänden von Wasserwerken und BürgerInneninitiativen aus der Zivilgesellschaft.
Die Gewerkschaft der Wasserwerke in Thessaloniki SEEAYTH ist eine der aktivsten in diesen Kämpfen. 2014 führte sie gemeinsam mit der Initiative »Soste to nero« (Rettet das Wasser) in Thessaloniki ein Referendum durch, bei dem sich 98,2 Prozent der WählerInnen gegen die Privatisierung ausgesprochen haben. Darüber hinaus wurde beim Oberverwaltungsgerichtshof Griechenlands geklagt, das daraufhin eine vollständige Privatisierung des Wassers für verfassungswidrig erklärte.
Nun gibt es allerdings erneut Grund, alarmiert zu sein. Denn auch wenn auf europäischer Ebene Wasser als Menschenrecht garantiert werden soll, wird der Ausverkauf in Griechenland »durch die Hintertür« – wie es in der griechischen Presse formuliert wird – wieder eingeleitet. Der Mechanismus hierzu ist natürlich die Kopplung der Auszahlung weiterer Kredittranchen an die Privatisierung griechischen öffentlichen Guts: Neben der Bahn, der Post, dem Olympiastadion in Athen oder der Messegesellschaft in Thessaloniki sind auch die Wasserwerke in Athen und Thessaloniki in dem auf deutschen Druck gegründeten Privatisierungsfonds HRADF.
Die Gefahr dabei ist, dass Griechenland als eine Art Präzedenzfall in Europa den Weg für den Verkauf von Wasser ebnet. Jenseits der großen Befürchtungen, welche Auswirkungen die Wasserprivatisierung auf die Umwelt und die Qualität des Trinkwassers haben wird, warnt die Gewerkschaft der Wasserwerke in Thessaloniki zudem vor der Erhöhung der Wasserpreise.
Eine Privatisierung gefährdet auch deren Bemühungen der letzten Jahre, Haushalten mit niedrigem Einkommen einen kostenlosen Zugang zu Wasser zur Verfügung zu stellen. Darauf sind momentan zum Beispiel mehr als 4.000 Haushalte in Thessaloniki angewiesen. Die KollegInnen der Wasserwerke haben somit das Ethos der sozialen und solidarischen Ökonomie-Initiativen im Land übernommen. Sie setzen sich nicht nur für den eigenen Lohn oder Arbeitsplatz ein, sondern versuchen zugleich, die Ärmsten in der Gesellschaft zu stützen. Dabei vernetzen sie sich mit den ArbeiterInnen der selbstverwalteten Fabrik VIOME, wie auch mit solidarischen Kliniken und Supermärkten.
Denn der Regierung sind bei diesen Themen die Hände gebunden. Ihre Aufgabe ist es, die Kredite sicherzustellen, auch wenn dies schlimme soziale Folgen hat. Die Sicherheitsklausel, die von der SYRIZA-geführten Regierung in Bezug auf Wasser eingebaut wurde, lautet: Es braucht das Einverständnis der Regierung, um eine Privatisierung – selbst in einem Public-Privat-Partnership-Modell – vorzunehmen. Finanzminister Euklidis Tsakalotos hat in diesem Zusammenhang mehrmals erwähnt, dass er nicht vorhat, sein Einverständnis zur Wasserprivatisierung zu geben.
Allerdings steht die dritte Überprüfung der Sparmaßnahmen durch die Quadriga vor der Tür. Es wäre nicht das erste Mal, dass zur Einhaltung der Spardiktate soziale Tabus gebrochen werden müssen. Um so wichtiger ist die Mobilisierung der Zivilgesellschaft, die der Regierung den Rücken stärken kann.
Dabei ist im Fall der Wasserprivatisierung auch der Aufbau von internationalen Solidaritätsstrukturen besonders wirksam. Giorgos Archontopoulos, der Sprecher der Gewerkschaft SEEAYTH, betont wieder und wieder, wie wichtig die Vernetzung mit entsprechenden Initiativen für das Recht auf Wasser für die Griechen war. Die Erfahrungen aus dem Berliner Wassertisch etwa hätten in Griechenland dazu beigetragen, den Mythos von der Effizienzsteigerung durch Privatisierung zu widerlegen.
Vor dem Hintergrund der erneuten Privatisierungsgefahr startete ein Bündnis der Solidaritätsnetzwerke für Griechenland und der Wasser-Initiativen eine Petition. Rund 200.000 Unterschriften wurden an den Vorsitzenden der Euroworking Group, Thomas Wieser, in Brüssel übergeben.
Der zweite Adressat war Wolfgang Schäuble, der sich allerdings weigerte, die Petition in Empfang zu nehmen. Deswegen wird am 13. November eine Protestaktion vor dem deutschen Wirtschaftsministerium in Berlin stattfinden. So wird allen privaten Interessenten signalisiert, dass die Zivilgesellschaft die demokratische Kontrolle von Wasser nicht ohne Widerstand abgeben wird. Auch nicht in Griechenland.
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