Wirtschaft
anders denken.

Welche Gerechtigkeit, welche Wählerschaften?

08.11.2018
Foto: Punktional, gemeinfrei

Geht es um Leistung, um Gleichheit, um Anrechte oder um Bedarf? Welche Vorstellungen von Gerechtigkeit dominieren bei den Anhängern der verschiedenen Parteien? Eine Studie des DIW gibt Antworten.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat jetzt untersucht, »welche Gerechtigkeitsprofile für die WählerInnen deutscher Parteien jeweils charakteristisch sind«. Die Ergebnisse zeigen, wie sich die jeweiligen Wählerschaften der Parteien und auch die Nichtwähler unterscheiden wenn es darum geht, »nach welchen Regeln Güter oder Lasten verteilt werden sollten«.

Das DIW ist dabei von vier grundlegenden Prinzipien von Gerechtigkeit ausgegangen: »Nach dem Gleichheitsprinzip werden Güter und Lasten auf alle Schultern gleich verteilt. Das Leistungsprinzip fordert, denjenigen mehr zu geben, die höhere Leistungen erbracht haben. Das Bedarfsprinzip fordert eine Verteilung, die grundlegende Bedürfnisse deckt. Und nach dem Anrechtsprinzip werden Güter und Lasten anhand von Statusmerkmalen wie Alter oder Ansehen verteilt – hier spielen in der Vergangenheit Erreichtes oder die Herkunft eine Rolle.«

Man wird nun diese Prinzipien einzeln einer kritischen Prüfung unterziehen müssen. So steht etwa dahin, was als »geleistet« gilt, wer davon abgehalten wird, »etwas zu leisten«, wem »Leistung« zugesprochen wird, obwohl sie auf der Arbeit anderer beruht und so weiter. Auch die Frage des Bedarfs ist im Detail eine der gesellschaftlich vorherrschenden Anschauungen darüber.

Auf der Basis dieser vier Prinzipien wurden rund 1.700 Personen im September 2018 befragt, »wie stark sie den vier Prinzipien jeweils zustimmen oder nicht zustimmen«. Viele gaben oft mehrere Prinzipien an, »eine unterschiedlich starke Betonung verschiedener Prinzipien« sei »typisch«, so das DIW. Aber auch daraus ergibt sich so etwas wie eine Landkarte der Gerechtigkeitsvorstellungen der jeweiligen Parteianhänger und Nichtwähler.

Letztere unterscheiden sich von den Wählern generell dadurch, dass sie das Gleichheitsprinzip etwas stärker betonen und dem Bedarfsprinzip etwas weniger zustimmen. Bei den Leistungs- und Anrechtsprinzipien gibt es kaum Unterschiede zu den Wählern.

Und wie sieht die Verbindung zwischen Wahlverhalten und Gerechtigkeitsvorstellungen aus? »Die SPD-WählerInnen befürworten das Gleichheitsprinzip etwas stärker als die UnterstützerInnen anderer Parteien«, so das DIW. Bei den anderen drei Profilen gibt es kaum Unterschiede zu den Unterstützern anderer Parteien. Hier liegt der zentrale Unterschied zu den Linken-WählerInnen. Die bevorzugen das Gleichheitsprinzip zwar ebenfalls deutlich stärker als andere, sie stehen aber auch dem Leistungsprinzip im Vergleich zu anderen WählerInnen etwas negativer gegenüber. »Grünen-WählerInnen befürworten besonders stark das Bedarfsprinzip – also die Zuteilung von Lasten und Gütern entsprechend der grundlegenden Bedürfnisse der Menschen«, so das DIW.

Charakteristisch für die Grünen-Anhänger ist zudem, dass sie das Anrechtsprinzip besonders stark ablehnen. Dieses wiederum kennzeichnet die Wertvorstellungen der Unionswähler: Die Vorstellung also, dass Güter und Lasten nach angeborenen oder erworbenen Statusmerkmalen verteilt werden sollten, so das DIW, lehnen CDU/CSU-WählerInnen »weniger stark ab als andere«. Zugleich lehnen sie das Gleichheitsprinzip wesentlich stärker ab als andere. Noch deutlicher ist diese Distanz bei den FDP-WählerInnen. Und auch sie befürworten das Anrechtsprinzip stärker als andere. Das DIW merkt zu den Zahlen über die Anhänger der Freidemokraten allerdings an, »dass nur relativ wenige Befragte angaben, die FDP wählen zu wollen«, die Daten seien daher »statistisch unsicher«.

AfD-WählerInnen hätten, so die Studie weiter, »ein nur wenig von anderen WählerInnen abgrenzbares ›Gerechtigkeitsprofil‹«. Das DIW ist auch der Frage nachgegangen, ob man es bei den Ergebnis wirklich mit bestimmten Verteilungspräferenzen zu tun hat – »oder ob die gefundenen Unterschiede anders zu erklären sind«, etwa weil die soziale und demografische Zusammensetzung von Parteien so besonders ist. Die Analyse hat aber gezeigt, dass die Ablehnung oder Unterstützung bestimmter Verteilungsprinzipien »einen eigenständigen Effekt auf die Parteipräferenz, unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung und Wohnort der Befragten« habe.

Bei allen statistisch erfassbaren Unterschieden in den jeweiligen Gerechtigkeitsprofilen, auch das merkt das DIW an, zeigten sich »vor allem große Gemeinsamkeiten zwischen WählerInnen verschiedener Parteien sowie zwischen Nicht-WählerInnen und WählerInnen: So werden das Leistungs- und Bedarfsprinzip deutlich unterstützt, während die Befragten dem Gleichheitsprinzip generell leicht ablehnend bis ambivalent und dem Anrechtsprinzip deutlich ablehnender gegenüberstehen.«

Geschrieben von:

Vincent Körner

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