Wirtschaft
anders denken.

Weniger ist mehr? Ein Irrweg!

29.06.2017
Mülldeponie, darauf ein Bagger.Foto: Alan Levine / flickr CC BY 2.0 Zurück in den Wertschöpfungsprozess statt auf die Mülldeponie.

Die radikale Wachstumskritik von Niko Paech unterstellt: Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch können nicht entkoppelt werden. Das stimmt so nicht.

Schon dem Club of Rome wurde vorgeworfen, in seiner Studie über die Grenzen des Wachstums Anfang die 1970er-Jahre lediglich Trends der Vergangenheit in die Zukunft verlängert zu haben. Solche Status-quo-Prognosen zeigen nur, was unter ceteris paribus-Bedingungen, wenn also alles Übrige gleich bliebe, geschehen würde.

In der Wirklichkeit bleibt allerdings alles Übrige eben nicht gleich. Deshalb sind apokalyptische Prognosen bisher nie eingetreten. Beispiel: Der britische Ökonom Thomas Robert Malthus behauptete 1798, die Bevölkerung wachse exponentiell, die Nahrungsmittelproduktion aber nur linear. Folge: immer wieder Hungersnöte. Doch heute geht es fast allen Ländern der Welt besser als noch in den 1970er-Jahren. Der Hunger in der Welt ist kein Produktions-, sondern ein Verteilungsproblem.

Der Hunger in der Welt ist kein Produktions-, sondern ein Verteilungsproblem.

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Anderer Fall: Mitte des 19. Jahrhunderts wurden 95 Prozent aller Transporte mit Pferdefuhrwerken abgewickelt. Auf den Hinterlassenschaften der Pferde sammelte sich Ungeziefer, das tödliche Krankheiten wie beispielsweise Typhus verbreitete. Die Times in London sagte voraus, bis 1950 würden die Straßen mit einer drei Meter hohen Mistschicht bedeckt sein. Mit dem Aufkommen des Automobils verschwand das Problem innerhalb weniger Jahre.

Alle Weltuntergangspropheten unterschätzen das Erfindungspotenzial der Menschen. Die technische Entwicklung hat vieles ermöglicht, was lange Zeit unvorstellbar war – vom Fliegen über das Internet bis zur Künstlichen Intelligenz. Längst arbeitet die Wissenschaft an Konzepten, wie Rohstoffe endlos wiederverwertet werden können. Dazu müssen die Unternehmen neue Produkte, neue Designs und Verfahren entwickeln, bei denen kein Abfall mehr entsteht, sondern die Werkstoffe nach ihrem Gebrauch wieder in einen neuen Wertschöpfungsprozess eingehen. Kreislaufwirtschaft (zirkuläre Ökonomie) verspricht, wirtschaftliches Wachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Damit ist die Grundannahme der Postwachstumsökonomie und allen De-Growth-Konzepten (Wachstumsrücknahme) der Boden entzogen.

Zwar werden noch viel Forschung und enorme Veränderungen des Verhaltens von Unternehmen und Verbraucher nötig sein, um zirkuläre Ökonomie weiter voranzubringen. Viele neue Arbeitsplätze mit anderen Qualifikationen werden entstehen, alte wegfallen. Eine zirkuläre nachhaltige Wirtschaft, die alles ermöglicht: Wachstum, Konsum und Achtung der Ökologie wird jedoch erheblich mehr Zustimmung finden als eine Postwachstumsökonomie, die für alle Verzicht bedeutet und die teilweise Rückkehr zu einer vorindustriellen Gesellschaft.

Das Gespräch mit Niko Paech ist Teil des OXI-Schwerpunktes »Weniger Wachstum. Mehr Zukunft!« in der Juni-Ausgabe 2017.

Weiterführend:

Michael Braungart, William McDonough: Cradle to Cradle: Einfach intelligent produzieren. Piper Verlag, München 2014

Peter Lacy, Jakob Rutquist, Philipp Buddemeier: Wertschöpfung statt Verschwendung. Die Zukunft gehört der Kreislaufwirtschaft. Redline Verlag, München 2015

Henning Wilts: Deutschland auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft? Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2016

Geschrieben von:

Hermann Adam

Professor für Politikwissenschaft

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