Wirtschaft
anders denken.

Künstliche Intelligenz

Themen-Newsletter bestellen

Wenn der Roboter in die Rente einzahlt

26.01.2017

Wenn Computer zunehmend Arbeitskräfte ersetzen, warum werden dann nicht auch Sozialbeiträge auf diese und generell auf Maschinen erhoben?

Beiträge für die Krankenkassen sollen steigen; erst mit 70 in die Rente – solche Forderungen schockieren derzeit viele Menschen. Weil die Zahl der Beschäftigten einige Jahre lang gestiegen ist, war es ruhig geworden um die Sozialversicherungen. Doch sie stehen vor einer großen Herausforderung: Wenn im Zuge der Digitalisierung der Arbeit immer mehr Beschäftigte von Robotern und Computern ersetzt werden, sind die Sozialversicherungen bedroht. Das ist Grund genug, ernsthaft darüber nachzudenken, wie der technische Fortschritt den Sozialstaat mitfinanzieren könnte.

Ganz im Gegensatz zur allgemeinen Meinung ist die demografische Entwicklung nicht die entscheidende Ursache für die Finanznöte der Sozialversicherungen. Zwar stehen immer weniger Erwerbstätige immer mehr Ruheständlern gegenüber. Doch auch weniger Beschäftigte können eine steigende Wertschöpfung produzieren. Entscheidend ist: Alle zahlen in die Sozialversicherung ein und sind sehr produktiv.

Ein größeres Problem ist die einseitige Finanzierung der Sozialversicherungen: Neben Zuschüssen aus dem Staatshaushalt erfolgt sie über Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern auf die Löhne. Mit der Technisierung der Wirtschaft nimmt jedoch der Lohnanteil an der Wertschöpfung in den Betrieben ab, die Wertschöpfung mittels Maschinen gewinnt dagegen an Bedeutung. Da auch auf Gewinne, Zinsen, Mieten oder Pachten keine Beiträge in die Sozialversicherungen fließen, müssen steigende Kosten vor allem über Beiträge auf Löhne und Gehälter finanziert werden. Das heißt: Entweder die Beiträge müssen stark steigen – siehe Krankenversicherungen – oder die Leistungen der Sozialversicherungen werden stark gekürzt. Renteneintritt also erst mit 70.

Rente mit 70? Es gäbe eine Alternative

Die Alternative besteht darin, die Finanzierung der Sozialversicherungen auf eine breitere Grundlage zu stellen – und dabei die Wertschöpfung der Maschinen einzubeziehen. Diese Diskussion findet in Deutschland allenfalls in speziellen Zirkeln statt. In Österreich wird die Frage dagegen offen diskutiert. Schon vor dreißig Jahren präsentierte der damalige Sozialminister Alfred Dallinger (SPÖ) eine Alternative: Er wollte die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung durch eine sogenannte Wertschöpfungsabgabe ersetzen. Diese sollte auf die Lohnsumme, aber auch auf die Abschreibung von Maschinen und Robotern erhoben werden.

Ein intelligentes Konzept. Denn Dallinger wollte keine Maschinensteuer, wie ihm dies sogleich von GegnerInnen unterstellt wurde. Er wollte einfach die Finanzierungsbasis von Renten- und Krankenversicherung verbreitern: auf Löhne und Maschinen. Personalintensive Betriebe, die heute besonders stark wegen der Sozialbeiträge belastet sind, wären entlastet und kapitalintensive Betriebe stärker belastet. Damals konnte sich Dallinger mit dieser Forderung nicht durchsetzen. Auch in Deutschland wurde sie diskutiert – und fand Eingang in das Wahlprogramm der Linkspartei. Dort blieb sie weitgehend unbeachtet. Da ist es gut, dass die österreichische Sozialdemokratie – immerhin führender Regierungspartner – dieses Konzept wieder entdeckt hat. Sie will die Sozialversicherungen künftig mit einer breiten Wertschöpfungsabgabe finanzieren, die auf Löhne, Gehälter, Abschreibungen auf Maschinen, Gewinne, Zinsen, Mieten und Pachten erhoben werden soll. Damit würden Kapitaleinkommen, Arbeitseinkommen und die Technik gleichermaßen zur Finanzierung des Sozialstaats herangezogen.

Über Details einer Wertschöpfungsabgabe kann man streiten. Aber kreativer als die ständige Forderung nach einem höheren Renteneintrittsalter oder höheren Beiträgen für die Sozialversicherungen ist der Vorschlag schon. Und vor allem: Er ist zukunftsfähig. Denn die Arbeit der Menschen wird immer mehr von Maschinen ersetzt werden.

 

Der Artikel erschien in der OXI Novemberausgabe.

Sie können OXI abonnieren (12 Ausgaben für 40 Euro) oder ein Probeabo abschließen (3 Ausgaben für 10 Euro).

Hinweis

Guter Journalismus ist nicht umsonst…

Die Inhalte auf oxiblog.de sind grundsätzlich kostenlos. Aber auch wir brauchen finanzielle Ressourcen, um oxiblog.de mit journalistischen Inhalten zu füllen. Unterstützen Sie OXI und machen Sie unabhängigen, linken Wirtschaftsjournalismus möglich.

Zahlungsmethode

Betrag