Wirtschaft
anders denken.

Wenn Neoliberale Rentner schützen

10.08.2016
Zusammengeschobene Einkaufswagen vor einer Wand.Foto: CL. / photocase.deBei hoher Inflation stiegen Löhne so, dass sich die Kaufkraft deutlich erhöhte.

Die Politik des Neoliberalismus dominiert in Deutschland unverändert, Krisen hin oder her. Obwohl dessen wichtigste Thesen von der Wirklichkeit bereits seit Jahren widerlegt sind. Neoliberale behaupten unter anderem: Mit stabilen Preisen würden vor allem die Interessen der Lohnbezieher, Rentner und Sparer geschützt. Denn Inflation schade vor allem ihnen. Teil 4 der OXI-Serie zu den großen Irrtümern des Neoliberalismus.

In den 15 Jahren der Vollbeschäftigung von 1960 bis 1975 sind die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer real, also nach Abzug der Inflation, um 81 Prozent gestiegen, und das trotz einer Inflationsrate von insgesamt 72 Prozent. In den darauffolgenden 15 Jahren, von 1975 bis 1990, lag die Inflationsrate deutlich niedriger, aber der reale Zuwachs des Nettoeinkommens der Beschäftigten, also ihr Kaufkraftzuwachs, lag – wegen der hohen Arbeitslosigkeit – bei nur drei Prozent. Dasselbe gilt für die Renten. Hier erhöhte sich die Kaufkraft in der eben genannten Vollbeschäftigungsphase um 99 Prozent, in dem sich anschließenden Zeitraum hoher und wachsender Arbeitslosigkeit dagegen nur um 13 Prozent.

Ebenso lässt sich für die Sparer zeigen: Die Rendite von Staatsanleihen lag – mit Ausnahme der Jahre 2012 bis 2014 – über der jeweiligen Inflationsrate. Die Behauptung, der sogenannte ›kleine Mann‹ beziehungsweise der ›Mensch mit dem kleinen Geldbeutel‹ werde besonders von schleichenden Preisanstiegen geschädigt, trägt also nicht.

Es kann begründet behauptet werden: Wenn die Neoliberalen dieses Argument so stark machen, dann wollen sie die historisch bedingte Inflationsphobie der Deutschen nutzen, um beispielsweise Lohnforderungen der Gewerkschaften zu diskreditieren und um Forderungen nach einer gerechten Verteilung der Vermögen abzuwehren. Dabei beweisen die eben genannten Zahlen klar: In den Jahren mit hoher Inflationsrate sind auch die Löhne so kräftig gestiegen, dass sich die Kaufkraft der Arbeitnehmer und damit ihr Lebensstandard trotzdem deutlich erhöhten. Und als die Inflationsrate sank, fielen auch die Lohnerhöhungen so schwach aus, dass sich die Kaufkraft der Arbeitnehmer nur noch geringfügig erhöhte. Und genau das beabsichtigen die Neoliberalen: die ›kleinen Leute‹ auch klein halten.

In Teil 3 der Serie über die verhängnisvollen Irrtümer des Neoliberalismus erklärt Hermann Adam, warum Preisstabilität keineswegs der wichtigste Garant für Vollbeschäftigung ist.

Der Text basiert auf dem Artikel »Von der Inflationsphobie bis zur »schwarzen Null« von Hermann Adam, der jüngst im wirtschaftsdienst, Ausgabe 7/2016 erschien.

Geschrieben von:

Hermann Adam

Professor für Politikwissenschaft

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