Wirtschaft
anders denken.

Wie lange reicht das Geld, wenn das Einkommen ausfällt?

14.11.2017
Raimond Spekking / gemeinfrei

Ein Drittel der Haushalte in Deutschland käme bei Ausfall des laufenden Einkommens nur wenige Wochen oder Monate mit dem Ersparten über die Runden. Andere könnten Jahrzehnte von ihrem Vermögen leben.

Stellen Sie sich vor, ihr regelmäßiges Einkommen fällt aus. Dafür kann es viele Gründe geben und Transferleistungen decken die entstehende Lücke nur zum Teil. Was geschieht dann? Mehr noch: Was würde im hypothetischen Extremfall eines vollständigen Einkommensausfalls geschehen? Wie lange kann man sich den Einkauf, die Wohnkosten leisten? Das hat jetzt das WSI der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung in seinem neuen »Verteilungsbericht 2017« untersucht: »die Konsumsicherungsfunktion des privaten Vermögens bei Wegfall des laufenden Einkommens«.

Das Ergebnis der Studie von Anita Tiefensee, die von dem theoretischen Fall ausgeht, dass Haushalte vollständig auf jedes Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Renten oder Sozialtransfers verzichten müssten, lautet in Kürze: Etwa 30 Prozent der Haushalt in der Bundesrepublik können »maximal wenige Wochen oder Monate ihr aktuelles Konsumniveau aus ihren Vermögen sichern«. Sie verfügen entweder über nur geringes Vermögen oder sind gar verschuldet. Auf der anderen Seite der Vermögensverteilung sieht es anders aus: »10 Prozent der Haushalte können mindestens knapp 13 Jahre und 5 Prozent sogar über 21 Jahre ihren aktuellen Konsum sichern.«

Besonders gering ist die private Konsumsicherung im Osten und unter Alleinerziehenden. »Im Mittel können Haushalte in den neuen Ländern lediglich halb so lange Zeiträume durch Vermögensverzehr überbrücken wie in den alten: Nicht einmal ein Jahr statt über zwei«, so die Studie. In allen Altersgruppen gibt es zudem mindestens 20 Prozent der Haushalte, »die gar nicht oder nur sehr kurz ihr aktuelles Konsumniveau durch Verbrauch ihres Vermögens sichern könnten«.

In dem WSI-Verteilungsbericht heißt es zusammenfassend, dass »die Mehrheit der Haushalte nur über eine sehr eingeschränkte private Absicherung in Form von Vermögen verfügt. Generell kann die Konsumsicherung eines Haushaltes auf privater oder staatlicher Ebene erfolgen. Auf einer der beiden Ebenen sollte eine Sicherung stattfinden, da sonst wichtige Lebensrisiken nicht abgesichert sind.« Hier sehen die Böckler-Forscher »politischen Handlungsbedarf«.

»Erwerbseinkommen aus ordentlich bezahlter Arbeit und eine wirkungsvolle soziale Sicherung sind für die meisten Menschen in Deutschland absolut unerlässlich«, wird WSI-Direktorin Anke Hassel zitiert. Aber eben in Wirklichkeit nicht garantiert. Hassel nennt es »ein massives Problem, wenn der Niedriglohnsektor bei uns weiterhin größer ist als in vielen anderen europäischen Ländern, wenn das Rentenniveau zu stark sinkt und wichtige Risiken im Erwerbsleben weder staatlich noch privat abzusichern sind«.

Die Forderungen des WSI in Kürze: erleichterte Zugangsvoraussetzungen für die öffentliche Erwerbsminderungsrente, Ausbau des Schonvermögens bei Hartz-IV-Bezug, existenzsicherndes Niveau von Lohnersatzleistungen sicherstellen. Da es auch um die Primärverteilung geht, müssten mehr Menschen ein ausreichendes Arbeitseinkommen erzielen – was wiederum laut WSI »eine Stärkung der Tarifbindung« sowie »ein ausreichendes und kostenloses Betreuungsangebot für Kinder« voraussetzt. Zudem regt das Institut »eine auf untere und mittlere Einkommensgruppen zugeschnittene staatliche Förderung« von Immobilienkrediten an.

Zum Weiterlesen:

Die Verteilungsberichte des WSI seit 1995 gibt es hier.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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