Wirtschaft
anders denken.

Wie Trump am deutschen Wirtschaftsnationalismus rüttelt

07.02.2017
Ein Containerschiff auf offener SeeFoto: 50Centimos / photocase.deExport, Export, Export! Das kann auf Dauer nicht funktionieren.

Die deutsche Art des Nationalismus bröckelt: Leitmedien, die bisher Exportüberschuss-Propaganda betrieben, weisen nun auf die Gefahren hin. Ihr Motiv: Donald Trump, nicht eigenes Nachdenken.

Wer hätte damit noch gerechnet: Erstmals wird das Exportmodell der deutschen Volkswirtschaft in sogenannten Leitmedien in Frage gestellt. Ein nicht zu unterschätzender Umbruch. Bisher gab es breite Einigkeit bei der Politik, fast allen WirtschaftswissenschaftlerInnen, Unternehmerverbänden, bei IG Metall und IG BCE als den entscheidenden Gewerkschaften, die die Beschäftigen in den Exportbranchen (vor allem Auto, Chemie, Maschinenbau) organisieren, und in deren Schlepptau bei allen wichtigen WirtschaftsjournalistInnen und -medien von der Süddeutsche Zeitung über das Handelsblatt, Die Welt bis zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Über viele Jahre hinweg hat diese riesengroße Koalition der Bevölkerung buchstäblich eingetrichtert: Exportüberschüsse sind der Beweis für die enorme deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Und wenn wir wieder Exportweltmeister werden wie im vergangenen Jahr, ist das ein Grund, Hurra zu schreien. Gefahren und Nachteile wurden buchstäblich verdrängt. So sieht der Nationalismus der Deutschen aus; wir sollten uns also nicht so aufspielen, wenn es darum geht, den Nationalismus von anderen zu kritisieren.

Die Überschüsse der Deutschen sind die Schulden anderer Länder.

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Schon seit Jahren gab es auch jene Stimmen, die vor dem deutschen Exportmodell warnten. Das waren die früheren US-Regierungen, der IWF, die OECD und andere Euro-Staaten. Sie kritisierten die Bundesregierung immer wieder scharf. Es warnten auch schon immer die KeynesianerInnen unter den WirtschaftswissenschaftlerInnen und einzelne kluge WirtschaftsjournalistInnen wie Thomas Fricke, Lucas Zeise, Hermannus Pfeiffer, Ulrike Herrmann und wenige andere.

OXI führte zu diesem Thema ausführliche Interviews mit Peter Bofinger, einer der fünf Wirtschaftsweisen und in diesem Gremium in der Minderheit, und mit dem Duisburger Sozialökonomen Till van Treeck.

Michael Wendl, Volkswirt und ständiger OXI-Autor, setzte sich bereits im November mit den Gefahren auseinander, welche die neue Politik von Donald Trump für das deutsche Exportmodell bedeutet. Auch in Verbindung mit den Handelsverträgen TTIP und CETA analysierte Wendl, wer vom Freihandel profitiert und wer nicht.

Trump sei Dank? Kritik am deutschen Exportfetisch wächst

Dieses Wissen sperrten die meisten deutschen Medien bislang aus. Mit dem Hinweis, die deutsche Wirtschaft sei eben so gut, und die anderen seien nur neidisch, wurde die vernünftige Kritik hämisch herabgewürdigt. Obwohl diese Überschüsse nicht nur wirtschaftlich schädlich sind, auch für Deutschland, sondern auch noch tiefen Unfrieden zwischen Deutschland und allen anderen Nationen stiften.

Erst jetzt, unter dem Druck der neuen protektionistischen Politik von Donald Trump, wird gezwungenermaßen umgedacht und umgeschrieben: Cerstin Gammelin schreibt in der Süddeutschen Zeitung (2. Februar), was bisher fast schon verzweifelt renommierte Wissenschaftler wie Peter Bofinger, Heiner Flassbeck, Gustav Horn, Till van Treeck zu verbreiten versuchen: »Die Überschüsse der Deutschen sind die Schulden anderer Länder.« Und weiter: Erziele ein Land über Jahre hinweg Überschüsse, dann produziere es damit in den anderen Ländern jene Schuldenberge mit, die anschließend mit den Rettungsschirmen wieder bekämpft werden sollen. Gammelin: Deutschland gefährde damit nicht nur die anderen, »sondern sich selbst gleich mit«. Auch der FAZ-Herausgeber Holger Steltzner kommentiert: »Der Exportweltmeister Deutschland muss sich auf eine Zeitenwende einstellen.« (3. Februar). Und Christian Ricken kommentiert im Handelsblatt: »Deutschland exportiert sich noch zu Tode.«

Schön, dass diese Denkbarriere endlich durchbrochen wird. Deprimierend, dass es eines Donald Trump bedarf.

Geschrieben von:

Wolfgang Storz

Kommunikationsberater

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