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»Wir müssen nicht nur demonstrieren«: Zum Gedenken an Elmar Altvater (1938-2018)

03.05.2018
Rosa-Luxemburg-StiftungElmar Altvater (1938-2018)

Der Tod von Elmar Altvater hat viele erschüttert. Freunde verabschieden sich, Weggefährten erinnern sich gemeinsamer Debatten, Politiker sagen Danke für viele Beiträge zur linken Diskussion. Wir haben Nachrufe für und aktuell veröffentlichte Texte von Elmar Altvater zusammengetragen.

Im politischen Berlin haben sich am Mittwoch unter anderem Politiker der Linkspartei und von den Grünen von Elmar Altvater verabschiedet. Jürgen Trittin dankte »für all die Jahre Forschung, Engagement und Leidenschaft. Mit Dir ist ein großer Wissenschaftler ist gestorben. Die Welt ist ohne Deine Arbeit ärmer geworden.« Der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler erklärte, »ein großer Ökonom, Intellektueller und politischer Mensch, der die Debatten zur Fragen des Kapitalismus, Globalisierung und Ökologie entscheidend geprägt hat«. Die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping sagte, sie »trauere um Elmar Altvater, einen der großen Marxisten und führenden linken Theoretiker dieses Landes. Er prägte Generationen von politisch Aktiven und verankerte den kritischen Blick auf den Kapitalismus in vielen Köpfen und Herzen. Wir werden ihn sehr vermissen«. Ihr Parteifreund Bernd Riexinger nannte den Ökonomen und Politikwissenschaftler einen »der klügsten und brillantesten linken Theoretiker«. Er war »einer der wichtigster Vordenker sozialer und ökologischer Alternativen zum Kapitalismus. Er wird sehr fehlen«.

In einigen Zeitungen und Zeitschriften ist Elmar Altvater, der nicht nur als deren Autor, Begleiter, Berater wirkte, sondern immer auch ein wichtiger intellektueller Wegweiser war, bereits ausführlich gewürdigt worden.

Elmar Altvater war ein äußerst produktiver Wissenschaftler und Autor, und dazu ein akademischer Lehrer von Format. Seine Schüler widmeten ihm 1998 zum 60. Geburtstag eine Festschrift unter dem Titel »Globalisierung und Perspektiven linker Politik«. Sein Leitgedanke in einem Vortrag von 2014 gilt für sein gesamtes Werk: »Wir müssen nicht nur demonstrieren, wir müssen uns auch bilden im emphatischen Sinne.« Ein Nachruf von Rudolf Walther in der TAZ.

Wir trauern mit seiner Lebensgefährtin Birgit Mahnkopf um einen engagierten Wissenschaftler, Theoretiker der Linken und politischen Akteur… und erinnern zugleich daran, dass mit ihm mehr als ein bedeutender »Politikwissenschaftler« und »engagierter Globalisierungskritiker« (SpiegelOnline) in Zukunft fehlen wird. Ein Nachruf der Redaktion »Sozialismus« und des VAS-Verlags.

Wir werden die Insistenz vermissen, mit der er darauf hingewiesen hat, dass die Linke zur Lösung der großen Fragen der Menschheit beitragen muss. Ein Nachruf von Alex Demirović bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Zeitschrift Prokla trauert um Elmar Altvater (1938-2018), Mitbegründer und langjähriges Redaktionsmitglied, Kampfgefährte und Freund. Vor etwa zehn Jahren zog er Bilanz: Anlass war sein Rückzug aus der Redaktion. Der »kurze Sommer des akademischen Marxismus«, wie er seinen Beitrag überschrieb, war von niemand anderem als ihm geprägt. Ein Nachruf der Zeitschrift Prokla.

Um den 200. Geburtstag von Karl Marx am kommenden Samstag wird allerorten des großen Denkers gedacht. Doch die Kontinuität von Theoriebildung und konkreter Analyse wird von Generationen kritischer Wissenschafter betrieben. Elmar Altvater gehört im deutschsprachigen Raum zu den überragenden Vertretern der Aktualisierung Marx’schen Denkens. Ein Nachruf von Ulrich Brand im Standard.

»Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen« sah er in dem gleichnamigen Buch von 2005 voraus. Das war hellsichtig. Drei Jahre später brach die globale Finanzkrise mit der Pleite der Bank Lehman Brothers aus. Ein Krise, die sich zu einer Weltwirtschaftskrise auswuchs. Für Altvater war sie nicht überraschend gekommen. Ein Nachruf von Guido Speckmann im nd.

Mit seinen Einsichten in die Wirkweise der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hätte Altvater leicht viel Geld verdienen können, es hat ihn aber nie interessiert, schon weil ihm die dafür nötige Zeit zu schade gewesen wäre. Ein Nachruf von Willi Winkler in der Süddeutschen.

»In seiner 2006 in den ›Blättern‹ veröffentlichten Abschiedsvorlesung ›Was heißt und zu welchem Ende betreiben wir Kapitalismuskritik?‹ antwortete er auf ebendiese Frage: ›Weil wir die Welt verändern müssen, wenn wir wollen, dass sie bleibt. Die Geschichte ist nicht am Ende. Es gibt Alternativen.‹ Die Suche nach Alternativen muss nun ohne Elmar Altvater weitergehen. Wir trauern um einen großen politischen Denker. Nachruf der Redaktion der »Blätter für deutsche und internationale Politik«.

»Er war vor allen Dingen ein großer, beeindruckender Lehrer für uns alle. Er hat uns eine neue Welt erschlossen und für Welt- und Weitblick gesorgt. Er hat uns alle elektrisiert. Seine Vorlesungen waren Kult. Wir sind in großen Massen zu ihm geströmt, um mit ihm arbeiten zu können. Er konnte überzeugen, er war rhetorisch sehr, sehr stark. Er war ein wissenschaftlicher Popstar und hat uns beeindruckt durch die unglaubliche Vielzahl von Literatur, die er verarbeiten konnte.« Der Politologe Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, spricht im Deutschlandfunk Kultur über Elmar Altvater. 

Wachstumskritik ohne Illusionen, Globalisierungskritik ohne nationale Borniertheit, Kapitalismuskritik ohne Vereinfachungen, linke Selbstkritik ohne Sündenstolz – Elmar Altvater hat viel zum Denken der gesellschaftlichen Linken beigetragen. Nun müssen wir ohne ihn auskommen. Ein Nachruf von Tom Strohschneider auf oxiblog.de. 

Mancherorts ist das Gedenken an Elmar Altvater mit der Neuveröffentlichung von älteren Texten von ihm verbunden worden.

»Wie kann ein Zeitungsprojekt zur Bildung eines handlungsfähigen Subjekts beitragen, das die Krisen der Gegenwart strategisch zu bewältigen vermag? Krise der Natur, des Klimas, von Geld und Finanzen, der Arbeit, der Migrationen? Informationen, Motivation, Interpretationsangebote und vor allem: den politisch-ökonomischen und gesellschaftlich-kulturellen Zusammenhang aufzuzeigen sind die ureigenen Aufgabenfelder einer linken, kritischen Zeitung. Es ist nicht einfach, das Abkippen in Dogmatismus einerseits und Larifari andererseits zu vermeiden und eine kritische, lebendige Linie zu verfolgen. Was nicht einfach ist, kann auch misslingen.« Im Taz-Hausblog ist ein Text von Elmar Altvater aus dem Jahr 2016 noch einmal erschienen. 

»Programmdiskussion und Programm sind mehr als ein noch so gutes Dokument. Sie dienen der Linken dazu, ihre eigenen Auffassungen und Positionen zu schärfen und vielleicht in der einen oder anderen Frage auch zu ändern. Das eigentliche Lebenselexier einer Programmdiskussion besteht also in diesem Doppelten: In der Partei programmatische Vereinheitlichung und zielorientierte Konsensbildung aktiv herstellen, und gleichzeitig über die Partei im Sinne der Mosaik-Linken Impulse in die Gesellschaft hineintragen, die glaubwürdig sind und das perspektivlose »weiter so« in der Krise durchbrechen.« Die Zeitschrift »Sozialismus« hat ein Gespräch mit Elmar Altvater von 2009 noch einmal veröffentlicht.

»Marx und Engels, der sich ja in scharfsinnigen Analysen besonders mit den Kriegen seiner Zeit auseinandersetzte, kommen gar nicht darum herum, sich mit den politischen Dimensionen der Macht, mit dem Staat und seinen Institutionen, mit Armee, Steuerpolitik und Staatsanleihen zu beschäftigen. Marx und Engels haben die Ökonomie immer als politische Ökonomie verstanden und haben daher auch das Verhältnis von Kapital und Staat oder die Regulation des Verhältnisses von Lohnarbeit und Kapital in den rudimentär entwickelten sozialstaatlichen Einrichtungen ihrer Zeit in ihre Überlegungen einbezogen.« Im Blog »Freiheitsliebe« ist ein älterer Text von Elmar Altvater zur Staatstheorie republiziert worden. 

 

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