Der OXI-Überblick: Wirtschaft in Nordkorea
Im Konflikt um das Atomwaffenprogramm Nordkoreas wird nach einer diplomatischen Lösung gesucht. Auch ökonomische Interessen spielen hier eine Rolle. Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Wirtschaft in Nordkorea und zu den Handelsbeziehungen des Landes.
Die Führung in Nordkorea hat mit ihren Atomwaffenversuchen dem globalen Krisengeschehen ein weiteres, täglich bedrohlicher erscheinendes Kapital hinzugefügt. Die USA schießen verbal bereits Gegenschläge, China ist bemüht, die Kontrolle über die Region zu behalten, der Ruf nach einem Ölembargo wird laut. Nun hat Kanzlerin Angela Merkel die Bereitschaft Berlins geäußert, an diplomatischen Initiativen mitzuwirken. »Europa und speziell Deutschland sollten bereit sein, dazu einen sehr aktiven Teil beizutragen«, so die CDU-Chefin – und ihre Hausblatt »Frankfurter Allgemeine« macht daraus eine schöne Wahlkampfschlagzeile: »Merkel ergreift bei Nordkorea die Initiative«. Die Weltkanzlerin in Aktion.
Wer hat welche Interessen in dem Konflikt?
Es geht dabei freilich nicht nur um Atomwaffen, sondern auch um regionale und wirtschaftliche Ziele. »Die EU hat erhebliche wirtschaftliche Interessen in der Region. China, Japan und Südkorea sind wichtige Handelspartner. Ein Konflikt in Korea wäre für uns sehr teuer, und er würde sich vermutlich global ausweiten, da die USA und China und eventuell auch Russland aneinandergeraten werden. Das ist definitiv nicht in unserem Sinne«, sagt der Nordkoreaexperte Rüdiger Frank. Und weiter: »Da unsere Wirtschaftsbeziehungen mit Nordkorea fast bei null sind – Deutschland hat 2016 Güter für unter sieben Millionen Euro nach Nordkorea exportiert – und die EU ohne die Nato militärisch ein Zwerg ist, haben wir auf der koreanischen Halbinsel keinen wirklichen Einfluss. Das sah noch 2001 ganz anders aus; wir haben durch einen vorschnellen Abbau der Beziehungen unsere Hebelwirkung verloren.«
Nun sieht es danach aus, dass der UN-Sicherheitsrat zu Beginn der kommenden Woche die Textilausfuhren Nordkoreas unterbinden könnte – damit macht das Land rund 800 Millionen US-Dollar im Jahr, das ist ungefähr ein Drittel der Exporteinnahmen. Auch gegen die Überweisungen von Devisen durch im Ausland arbeitende Nordkoreaner wollen die USA vorgehen, es soll um rund hunderttausend Menschen gehen, die bis zu 2,4 Milliarden US-Dollar überweisen. Ihre Zahlungen wurden bereits eingefroren.
Auch sonst wurden bereits verschiedene Sanktionsmaßnahmen gegen Nordkorea verhängt, beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle heißt es, es seien »unterschiedlichste güter- und dienstleistungsbezogene Beschränkungen angeordnet, die sowohl den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr nach Nordkorea als auch die Einfuhr, den Erwerb und die Weitergabe von Gütern aus Nordkorea verbieten. Die Vornahme der beschriebenen Handlungen kann allenfalls in Ausnahmefällen genehmigt werden«.
Derweil stellt die UNO fest, Nordkorea umgehe zunehmend die gegen das Land verhängten internationalen Sanktionen – etwa das Waffenembargo, die Finanzsanktionen sowie die strikten Strafmaßnahmen in weiteren Bereichen, heißt es in einem am Wochenende vorgelegten UN-Bericht. So soll Pjöngjang etwa die finanziellen Sanktionen durch Gewährsleute im Ausland umgehen, die im Namen »nationaler Einheiten« Finanztransaktionen vornehmen würden. Darüber hinaus exportiere das abgeschottete Land weiterhin »praktisch alle von den UN-Resolutionen betroffenen Produkte«. Dies habe Nordkorea im Untersuchungszeitraum von Februar bis August dieses Jahres mindestens 270 Millionen US-Dollar eingebracht.
Exportgüter sind vor allem Mineralien, landwirtschaftliche und Fischereiprodukte und Metallgüter; importiert werden vor allem Erdöl, Konsumgüter, Getreide und Maschinen. Nordkorea importiert vor allem aus China (85 Prozent der Einfuhren), danach folgen Indien (3,1 Prozent), Russland (2,3 Prozent) und Thailand (2,1 Prozent). Das gesamte Volumen der einfuhren betrug 2015 3,47 Milliarden US-Dollar. Auch der Export ist stark auf China zugeschnitten – 83 Prozent der gesamten Ausfuhren (2,83 Milliarden US-Dollar) gehen nach China. Auf der Liste der weiteren Exportpartner stehen Indien (3,5 Prozent), Pakistan (1,5 Prozent) und Burkina Faso (1,2 Prozent).
Wie ist die Lage der Wirtschaft in Nordkorea?
Im Jahr 2016 wuchs die Wirtschaft Nordkoreas laut Schätzungen der südkoreanischen Zentralbank trotz der Sanktionen so stark wie seit über 15 Jahren nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt legte um 3,9 Prozent zu, besonders Bergbau und Energiebereich hätten dazu beigetragen, auch die um 4,6 Prozent gestiegenen Exporte. Die Regierung in Nordkorea gibt selbst keine Konjunkturdaten bekannt. Ein stärkeres Wachstum wurde zuletzt für 1999 mit 6,1 Prozent angegeben.
In der »Frankfurter Allgemeinen« war im Frühjahr Andrei Lankov von der Kookmin-Universität in Seoul mit den Worten zitiert worden, »die vergangenen fünf Jahre waren nicht die Zeit eines nordkoreanischen Wirtschaftswunders. Aber die Wirtschaftslage hat sich signifikant verbessert.« der Nordkorea-Forscher Park Son-sung von der Dongguk-Universität in Seoul warnte vor einer Überinterpretation von ökonomischen Daten, da diese meist nur geschätzt würden.
Eine wirtschaftliche Stabilisierung ist aber unverkennbar, und sie wird laut FAZ »auf zwei Gründe« zurückgeführt: »die Dezentralisierung der Entscheidungsfindung in der Landwirtschaft und in Unternehmen sowie die zunehmende Rolle privater Märkte im Land«. Auf diesen können Privatpersonen Waren verkaufen, sie zahlen dabei täglich Marktsteuer an einen Verwalter. Der Anteil der privaten Wirtschaft an der Wirtschaftsleistung wird laut FAZ auf 25 bis 50 Prozent geschätzt. Private Unternehmen würden schon seit langem geduldet, obwohl sie illegal seien, zitiert die Zeitung Lankov.
»Das Regime erkennt privaten Besitz von Produktionskapital nicht an, aber es garantiert das selbständige Management, indem die Geschäfte als Teile in Staatsunternehmen inkorporiert werden«, wird der Vizepräsident des Koreanischen Instituts für internationale Wirtschaftspolitik, Jeong Hyung-gon, wiedergegeben. Und die FAZ formuliert es so: »Die Ideologie einer sozialistischen Nation werde so aufrechterhalten, zugleich entwickele sich ein neues kapitalistisches Bürgertum zum Motor des Wirtschaftswachstums.«
Welche Beziehungen gibt es von Deutschland in das Land?
Die Bundesrepublik hat kaum Wirtschaftsbeziehungen in das Land. »Der deutsch-nordkoreanische Warenaustausch hat sich innerhalb weniger Jahre praktisch halbiert; er liegt derzeit mit etwa 11 Millionen Euro pro Jahr auf sehr niedrigem Niveau. Deutschland importiert aus Nordkorea vor allem Textilien. Exportiert werden in erster Linie pharmazeutische Erzeugnisse. Es sind bislang keine bilateralen Abkommen über wirtschaftliche, finanzielle oder wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit geschlossen worden«, heißt es beim Außenamt in Berlin.
Die Bundesregierung leistet auch keine bilaterale Entwicklungshilfe. Allerdings gibt es humanitäre Hilfe, »die allerdings 2006 von der nordkoreanischen Regierung aufgekündigt wurde«. Seither wird diese als »entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe« unter EU-Dach weitergeführt. Mehrere NGOs sind in Nordkorea aktiv und haben mit deutschen Mitteln finanzierte Projekte durchgeführt.
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