Erleichterung, Interessen, Forderungen: Die Wirtschaftsverbände und das SPD-Ja zur GroKo
Sie reden gern von gemeinsamen Interessen – und meinen doch nur ihre eigenen an Rendite und Profit. Wirtschaftsverbände und Lobbyisten sind über das Ja der SPD-Basis zur GroKo erleichtert. Die Meldungen darüber erzählen allerdings immer nur eine halbe Wahrheit.
Es ist üblich, an solchen Tagen nach großen Entscheidungen Meldungen wie diese zu lesen: »Mit Erleichterung haben Wirtschaftsverbände auf die Zustimmung der SPD-Mitglieder zu einer neuen Großen Koalition reagiert.« Warum diese Lobbyistenorganisationen erleichtert sind? Man erfährt, dass der Außenhandelsverband BGA froh ist, »endlich bald wieder eine stabile, voll handlungsfähige Regierung zu haben«, was mit der Aussicht darauf verbunden wird, in der Bundesrepublik »nun zügig einige Dinge anzupacken, um als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb nicht an Boden zu verlieren«.
Wenn der Standort in der globalen kapitalistischen Konkurrenz fitgemacht werden soll, sollten Beschäftigte gewarnt sein – unter der Parole ist jahrelang Politik zu Lasen ihrer Einkommen, der Steuergerechtigkeit und des Öffentlichen gemacht worden. Denn das kostet, während im »Wettbewerb nicht an Boden« verliert, wer politisch dafür sorgen kann, dass die Kosten vergleichsweise niedrig liegen. Das ist wie gesagt eher schlecht für hiesige Beschäftigte – und für die anderswo auch, denn gegen die deutschen Exportriesen kommt man anderswo schlecht an.
Weiter geht es mit den Meldungen: »Der Maschinenbau forderte die künftige Regierung zu schnellem und entschlossenem Handeln auf.« Nein, hier spricht keine Branche, wie denn auch, eine »gemeinsame Stimme« ist auch eher Fiktion, bei der man über die aus den Produktionsverhältnissen resultierenden Interessensgegensätze hinwegtäuschen will. Es spricht der Branchenverband VDMA, der die Regierungsbildung als »parteipolitische Nabelschauen seit der Wahl« hinstellt (Was ein bisschen darüber Auskunft gibt, wie die Unternehmenslobby das politische Geschäft mit Kompromissbildung, Mitgliederdemokratie und so weiter sehen: als »überflüssige Selbstbeschäftigung«). Und was fordert der VDMA? »Der digitale Rückstand muss aufgeholt, unser Steuersystem wettbewerbsfähig gemacht und alle investitionspolitischen Zeichen auf Innovation gestellt werden.« Übersetzt: Wir wollen weniger Steuern zahlen, begründen das mit Donald Trumps Reform, wir erwarten aber zugleich, dass die öffentliche Hand das Geld woanders hernimmt, um jene Infrastruktur und Forschungsförderung zu bezahlen, die zur Voraussetzungen unserer Profite und der Renditen unserer Eigentümer gehören.
Und so geht es munter weiter. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks lässt sich mit den Worten zitieren: »Für unser Land, unsere Wirtschaft, unsere Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Hängepartie der vergangenen Monate endlich ein Ende hat.« Ist das so? Warum? Lief es im Handwerk wirklich so schlecht unter einer geschäftsführenden Regierung? Was sind die Erwartungen des Handwerks an die Große Koalition? Steht in der Meldung nichts drüber, aber es tauchen Signalwörter auf: »Die Stimmen der Vernunft hätten sich durchgesetzt«, wird der Handwerksverband zitiert, damit ist schon einmal klar, was man von einem potenziellen NoGroKo hätte halten sollen. Und wer Hängepartie sagt, meint immer auch: Jetzt bitte Entscheidungen treffen – natürlich im eigenen Interesse.
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag trägt eine Reaktion zum SPD-Mitgliederentscheid bei – natürlich ist man auch da zufrieden. »Für die deutschen Unternehmen ist es gut, dass die Regierungsbildung jetzt zu einem Abschluss kommt.« Ist das so? Warum? Wäre es nicht sinnvoll, das auch mitzuteilen? Zumal der DIHK auch behauptet, der Koalitionsvertrag bürde »vielen Betrieben unnötige Lasten auf«, wie es die Nachrichtenagentur weitererzählt, ohne eine Erklärung mitzuliefern, welche Lasten dies sein sollen und warum die unnötig sind, also vor allem: aus wessen Interessenperspektive? Stattdessen hört man Nullsätze wie den, dass die Regierungsbildung irgendwie mit dem übereinstimmt, »was die Welt der Wirtschaft von Deutschland erwartet: solide Verhältnisse und hohe Verlässlichkeit«. Solide? Verlässlich? Für wen? Die DIHK-Sicht sieht so aus: Man erneuert die Forderung nach »spürbaren Steuerentlastungen für Unternehmen«.
In der FAZ kommt dann noch Industriepräsident Dieter Kempf zu Wort, und damit wollen wir unsere kleine Beispiel-Liste auch abschließen: Es gehe nun darum, wir der BDI-Mann indirekt wiedergegeben, »Zukunftsinvestitionen nach vorne zu bringen, Impulse für Innovation zu setzen und dabei neue Belastungen für Bürger und Unternehmen zu vermeiden«. Auch das lässt sich als eine einfache Formel übersetzen: Der Staat solle bitte Voraussetzungen schaffen für Umsatz und Profit, aber das Geld dafür soll von anderen kommen. Ohne Umschweife wird das bei der Forschungsförderung – das heißt steuerliche Entlastung für Innovation – auch ausgesprochen: »Selbst im neunten Jahr des Aufschwungs läuft die Wirtschaft nicht von allein.« Merke: Nach Hilfe rufen, wenn man daran verdienen kann. Ansonsten das Öffentliche als störendes Hindernis betrachten – aber immer schön vom »gemeinsamen Ziel« reden.
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