Markt und Wettbewerb
Wirtschaftsdemokratische Mesoebene – eine Wirtschaftsdemokratie ist überfällig. Mit Staat, Markt und Wettbewerb hin zur gesellschaftlichen Utopie. Ein Beitrag zum OXI-Schwerpunkt „Staatswirtschaft“ im Februar.
Die fundamentale Umwandlung der Wirtschaft in eine Wirtschaftsdemokratie ist überfällig. Nicht nur aufgrund der bestehenden Dichotomie zwischen dem demokratisch verfassten Staat als Überbau zur autokratisch vom Kapital beherrschten Wirtschaft, wo das Privateigentum an Produktionsmitteln das entscheidende »Investitionsmonopol« (Erich Preiser) determiniert. Sondern auch, weil die mittlerweile vorliegende Konzentration des Kapitals, nicht nur des Finanzkapitals, längst die politische Herrschaft im Staatsapparat derart unterminiert hat, dass Politik so gut wie nichts mehr zu sagen hat. Soll das Kapital seine vielfältige Ausbeutungsmacht verlieren, so geht dies nur durch einen gleich mächtigen Gegenpol in der Wirtschaft. Die menschliche Arbeitskraft, die im ökonomischen Prozess alleine wertschaffend ist, muss dazu ohne Wenn und Aber in den Unternehmen paritätisch mitbestimmen können. Dies reicht aber noch nicht. Die abhängig Beschäftigten müssen auch über das Investitionsmonopol des Kapitals verfügen und dürfen sich nicht länger als nützliche Idioten auf eine Konsumfunktion beschränken lassen. Sie müssen am Gewinn und Kapital der Unternehmen, in denen sie den Mehrwert produzieren, beteiligt werden. Bleiben sie Lohnempfänger, so bleiben sie machtlose »Habenichtse und die Unternehmer werden reicher und reicher« (Oswald von Nell-Breuning).
Hinzu kommen in einer Wirtschaftsdemokratie auf der Mesoebene Markt und Wettbewerb und die Wirtschaftspolitik auf der Makroebene. Ich kann aus Platzgründen nur auf die komplizierte Mesoebene eingehen. Zunächst sollte klar sein, dass hier auf Markt und Wettbewerb nicht verzichtet werden kann. Der Markt wird vielfach kritisiert, dabei impliziert er in einer arbeitsteiligen Ökonomie lediglich einen Austauschprozess von Angebot und Nachfrage. Die benötigten Güter und Dienste werden nun einmal nicht mehr von den Menschen selbst produziert. Sie tauschen dafür ihre erarbeiteten oder durch den Staat zugeteilten (alimentierten) Arbeitswerte auf den einzelnen Märkten aus. Der Markt ist also nichts »Böses«, er ist lediglich die Summe aller Warenangebote und deren Nachfrage. Hier kann das Angebot der Nachfrage entsprechen (der Markt wäre dann im Gleichgewicht) oder auch zu viel oder zu wenig Angebot in Relation zur Nachfrage vorliegen. Dadurch wird es bei einem gegebenen und notwendigen Leistungswettbewerb zu temporären Preisreaktionen nach unten und oben kommen. Es gibt Gewinner und Verlierer. Das macht den Markt bei vielen eben dann doch zum »Bösewicht«, was aber nicht richtig ist. Zum Markt gehört notwendig ein flexibler Anpassungsprozess, aber auch ein fairer Leistungswettbewerb auf beiden Marktseiten.
Wettbewerb zwingt die Unternehmen zu Wirtschaftlichkeit und Produktivitätssteigerungen, die über sinkende Preise an die Nachfrager weitergegeben werden müssen und Wettbewerb schafft Anreize für Innovationen (produkt- und prozessbezogen) zur Erzielung von temporären Extragewinnen. Auch dies ist nichts »Böses«. Wettbewerb, wenn er auch gefürchtet wird, ist, wie der Markt, nur ein unverzichtbares Steuerungsinstrument in der Wirtschaft. Wer davon nicht überzeugt ist, dem empfehle ich zum ordnungstheoretischen Studium das Buch von Michail Gorbatschow »Perestroika«. In den staatlichen Planwirtschaften fehlten schlicht der Marktmechanismus und der »Stachel der Konkurrenz« (Karl Marx). Deshalb war ihr Ende von Anfang an vorbestimmt.
Problematisch werden Markt und Wettbewerb erst dann, wenn es auf der Angebots- und Nachfrageseite zu keinen fairen wettbewerblichen Prozessen mehr kommt, weil die Märkte hoch konzentriert sind und in Folge Machtmissbrauch durch Angebots- und Nachfragemacht entsteht. Dann werden Arbeitswerte nicht auf Basis von Leistung, sondern durch Ausbeutung angeeignet. Wettbewerb, und dass ist das Problem, trägt jedoch, in Anbetracht der anvisierten maximalen Profitfunktion, immer die Triebkraft einer Vernichtung von Wettbewerbern in sich. Durch Wettbewerb werden Konkurrenten aus dem Markt gedrängt, »ein Kapitalist schlägt viele andere tot« (Karl Marx), es kommt zu Insolvenzen. Wettbewerber werden feindlich aufgekauft oder sie fusionieren freiwillig und es werden Kartelle gebildet. Dies alles sind Wettbewerbspervertierungen. Und nicht zuletzt werden die »Sozial- und Umweltkosten« (K. William Kapp) bewusst nicht in den Preisen internalisiert, so dass die tatsächlichen Knappheitsrelationen nicht anzeigt werden und es zu schwerwiegenden Fehlallokationen kommt.
Der Preis für Waren und Güter ist in jeder Wirtschaftsordnung am Ende eines ökonomischen Prozesses immer die entscheidende Größe. Auch im Verteilungskampf. Der große schottische Ökonom Adam Smith hat den Preis schon 1776 als die »gefährlichste Waffe« der Unternehmer bezeichnet. Deshalb darf man die Preisbildung den Unternehmern nicht frei überlassen. Sie muss einem staatlich gesetzten Ordnungsrahmen genügen, an den alle Unternehmen gebunden sind. Dazu sind in der Preisfunktion zwei normative Vorgaben bezüglich der Eigenkapitalquote (Minimum 25 Prozent) und der Eigenkapitalrentabilität (Maximum 10 Prozent) zu machen. Die dann im Wettbewerb realisierten absoluten Gewinne reichen bei jeder Unternehmensgröße zur Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals aus. Sie sind hinreichend, um investieren und eine Kapitalvorsorge für schlechte Zeiten betreiben zu können. Zinsen und Grundrenten sind in der Preisfunktion in den Kosten zu verrechnen, genauso wie der Personalaufwand und alle Vorleistungs- und Umweltkosten. Die Unternehmen müssen dann bei den Kosten zur Minimierung ihrer Stückkosten auf eine Vollauslastung der Kapazitäten achten. Produktivitätssteigerungen, die zu Stückkostensenkungen führen, sind über Preissenkungen an die Nachfrager weiterzugeben. Dies führt bei den Unternehmen nicht zu weniger absolutem und relativem Gewinn. Besonders innovative Leistungen werden mit Extragewinnen belohnt, die aber nicht, wie heute, durch Patente abgesichert werden. Das ganze Preisprozedere ist am Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres durch eine staatliche Preisprüfung in den Unternehmen zu kontrollieren.
In einer umgesetzten Wirtschaftsdemokratie muss der Staat auf der Mesoebene aber nicht nur die Preisbildung überprüfen, sondern den Markt und Wettbewerb auch grundsätzlich kontrollieren und jegliches Fehlverhalten sanktionieren. Dies verlangt nach einem neutralen Staat. Jedenfalls nach einem, der nicht einseitig wie heute die Kapitalinteressen vertritt. Dieser Staat müsste alle Märkte im Hinblick auf ihre vorliegenden Marktkonstellationen wissenschaftlich fundiert überprüfen und auf eine notwendige Wettbewerbsgröße bringen. Das schließt Entflechtungen und Zerschlagungen von Unternehmen bei suboptimalen Größen nicht aus. »Economics of scale« sind hier zu beachten. Außerdem müssten unverzüglich Kartellbildungen, im Gegensatz zu heute, strafrechtlich verfolgt werden. Die Gesellschaft muss dann nur noch durch Volksentscheid festlegen, welche Bereiche von Markt und Wettbewerb ausgenommen und vergesellschaftet werden sollen. Hier bieten sich der gesamte Gesundheits-, Finanz-, Verkehrs- und Energiesektor an. Dazu sind eigene Steuerungs- und Kontrollinstrumente vom Staat zu entwickeln.
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