Wirtschaft
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Wirtschaftsnobelpreis 2018 für William Nordhaus und Paul Romer: ein OXI-Überblick

08.10.2018
Niklas Elmehed für Nobel MediaNordhaus (links) und Romer

Marktbasierte Instrumente der Klimapolitik und »gut gemeinter Neo-Imperalismus«: Der Nobelpreis für Wirtschaft geht in diesem Jahr an die beiden US-Ökonomen William D. Nordhaus und Paul M. Romer. Was muss man dazu wissen? Ein Oxi-Überblick (wird fortgesetzt).

Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften hat den Sveriges Riksbank Preis in Wirtschaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel in diesem Jahr an William D. Nordhaus und an Paul M. Romer vergeben – den einen »für die Integration des Klimawandels in die langfristige makroökonomische Analyse« und den anderen »für die Integration technologischer Innovationen« ebendort. Beide hätten »Methoden entwickelt, um einige der grundlegendsten und drängendsten Fragen unserer Zeit zu beantworten«, heißt es in Stockholm – »wie wir langfristig nachhaltiges und nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen können«.

In der »Frankfurter Allgemeinen« erfahren wir, dass Romer den Preis beinahe verpasst hätte – weil er schon so lange im Gespräch dafür ist, was Folgen hatte: »Vor zwei Jahren hatte die Stern School versehentlich eine Pressemitteilung verschickt, in der zu einer Pressekonferenz mit Romer eingeladen wurde. Anlass sei Romers Auszeichnung mit dem Wirtschaftsnobelpreis. Die Universität entschuldigte sich später. Romer erntete Spott dafür« – und hätte »heute fast die Anrufe aus Schweden verpasst: ›Ich bekam heute Morgen zwei Anrufe und habe keinen davon beantwortet, weil ich dachte, es wären Spam-Anrufe‹«.

In der FAZ schreibt Philip Plickert, »manche meinen, Ökonomen säßen im Elfenbeinturm, hätten abgehobene, weltfremde Theorien. Der aktuelle Nobel-Gedächtnispreis für die amerikanischen Wissenschaftler William Nordhaus und Paul Romer zeigt, dass diese Vorwürfe fehlgehen. Nordhaus und Romer haben – mit unterschiedlichem Fokus – über eine der wichtigsten Fragen der Menschheit geforscht: Wie kann man nachhaltiges Wachstum erzielen?« Und weiter: »Es trifft sich gut, dass der Preis just mit der Publikation des neuen Sonderberichts des Klimapanels der Vereinten Nationen zusammenfällt. Viele Klimaaktivisten neigen zu Katastrophenbildern. Romer sagt ganz trocken, Untergangswarnungen seien eher kontraproduktiv, weil sie den Menschen Schrecken einjagen und sie lähmen.« Ebenfalls in der FAZ verweist Winand von Petersdorff auf den historischen Background des Forschungsinteresses: »Als Nordhaus seine Forschungen in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufnahm, prägten die Energiekrise und das Buch ›Die Grenzen des Wachstums‹ des Club of Rome die öffentliche Debatte. Naturwissenschaftler formulierten die Sorge, die Verbrennung von fossilen Rohstoffen verursache eine Erwärmung des Klimas mit weitreichenden Folgen.«

Im »Handelsblatt« heißt es zur Einordnung, »mit der Wahl von William Nordhaus und Paul Romer rückt das Nobelpreis-Komitee die Themen Klimawandel und Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt«. Nordhaus habe »als einer der ersten untersucht, wie Kohlendioxid-Preise sich auf die Wirtschaft auswirken und daraus sein Plädoyer für eine CO2-Steuer entwickelt«. Sein Aufsatz »An optimal transition path for controlling greenhouse gases« von 1992 gehöre »zu den meistzitierten Aufsätzen in der Untersuchung marktbasierter Instrumente der Klimapolitik«.  Zudem habe er »als erster Ökonom die wirtschaftlichen Folgen einer Erderwärmung um drei Grad berechnet – und so die Basis für das spätere politische Zwei-Grad-Klima-Ziel gelegt«. Zu Romer heißt es, dieser habe 2009 für Aufsehen gesorgt, als er »die Gründung von künstlichen ›Charter Cities‹ als Mittel zur Armutsbekämpfung« vorschlug. Laut dem Vorschlag sollten Regierunge von struktur- und wachstumsschwachen Staaten nicht-besiedelte Zonen ausweisen und an eine ausländische Regierung übergeben, die dort Wachstum ankurbeln solle. Die Idee stehe »als neue Form eines gut gemeinten Neo-Imperalismus in der Kritik«.

Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel schreibt zur Preisvergabe, »geehrt werden zwei Pioniere einer Wirtschaftswissenschaft, die sich nicht rechthaberisch auf Modelle jenseits der Wirklichkeit zurückziehen, sondern fundamentale Erkenntnisse zu Fragen der Klimakatastrophe und zum technisch-gesellschaftlichen Fortschritt entwickelt haben«. Und weiter: »Nach diesen Ökonomie-Nobelpreisen in diesem Jahr bleibt der Wunsch, dass die Erkenntnisse der beiden Pioniere der Makroökonomik vor allem in der Lehre an die Studierenden auch in Deutschland weitergegeben werden.« 

Sebastian Gerhardt beschreibt in einem Text über »Paul Romer und die Charter Cities« dessen »Suche nach dem kapitalistischen Utopia«. Romer werde für seine Modellierung technologischen Fortschritts ausgezeichnet, so der Ökonom. »Was Paul Romer alles dem kapitalistischen Fortschritt zu opfern bereit ist, das ist angesichts der aktuellen Würdigung kein Thema. Deshalb eine kleine Erinnerung.«

Das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln teilte zu der Preisvergabe mit, diese sei »ein wichtiges Signal und ein Statement dafür, dass sich die langfristigen globalen Herausforderungen durch den Klimawandel vor allem mit technologischen Innovationen meistern lassen. Die Forscher zeigen in ihrer Arbeit, welche wirtschaftspolitischen Weichenstellungen – in einer nicht perfekten Welt – dafür gestellt werden müssen. Gerade in Zeiten, in denen Politiker immer öfter nach anscheinend einfachen Antworten und Lösungen suchen, leisten beide Preisträger somit unschätzbare Beiträge zum Verständnis komplexer Zusammenhänge«.

Spiegel online schreibt, »die Akademie sendet politische Botschaften an den US-Präsidenten«. Bei einer kurzen Fragerunde mit Journalisten sei die Frage gestellt worden, »ob denn die aktuelle ›politische Unsicherheit‹ eine Rolle bei der Auswahl der Preisträger gespielt habe. Das war eine diplomatische Umschreibung für: Ist der Preis ein gezieltes Signal gegen US-Präsident Donald Trump, der nichts vom Klimawandel hören will – und aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen ist? ›Ehrlicherweise denke ich, dass es da keinen starken Zusammenhang gibt‹, lautete der erste Teil der Antwort. Die Botschaft sei, dass es ›globale Probleme gibt, die zu lösen die ganze Welt zusammen kommen muss. Länder müssen zusammen arbeiten‹. Das wirkte dann allerdings doch wie Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Trump.«

Interessant dürften auch einige ältere Texte sein. Über das eher kurze Gastspiel Romers bei der Weltbank, dass 2016 begonnen hatte und nach anderthalb Jahren endete, schrieb die »Neue Zürcher Zeitung«, »mit der hierarchischen und bürokratischen Struktur der nur einen Steinwurf vom Weissen Haus in der US-Hauptstadt beheimateten Institution kam Romer aber nie zurecht«. Vor Romers Wechsel zur Weltbank hatte Mark Schieritz ein großes Porträt für die »Zeit«publiziert.

In der FAZ hieß es damals, Romers »Versuche, die Forschungsarbeit des Entwicklungs-Kreditgebers zu reformieren, waren vermehrt auf Widerstand gestoßen. Wie es aus der Bank hieß, steht Romers Rückzug außerdem im Zusammenhang mit seiner Kritik an dem jährlich veröffentlichten Weltbank-Ranking ›Doing Business‹.« In diesem globalen Geschäftsklima-Bericht werden unter anderem die Bedingungen für Unternehmensgründer und Kreditvergaben bewertet, Länder wie Brasilien und Indien »kritisieren immer wieder, dass das Ranking nicht die tatsächlichen Investitionsbedingungen für Unternehmen in den Länder widerspiegele. Organisationen wie Oxfam kamen ihnen zu Hilfe.« Romer sagte damals, die derzeitige Methodik der Weltbank könne den Eindruck erwecken, die Bank erstelle ihren Bericht auf der Basis politischer Überlegungen, später relativierte er seine Vorwürfe.

Unter anderem bei Reuters werden auch Reaktionen deutscher Ökonomen kolportiert. Demnach bezeichnete Henrik Enderlein von der Hertie School of Governance die Preisvergabe als hochverdient. Ifo-Präsident Clemens Fuest wird mit den Worten zitiert, Nordhaus habe entscheidend dazu beigetragen »die Klimapolitik auf die Agenda der internationalen Politik zu bringen«. DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte, die Verleihung an Nordhaus zeige, »dass Klima- und Umweltschutz kein Widerspruch zu Wachstum und Wohlstand sein müssen, sondern dass ein starkes, langfristiges Wirtschaftswachstum auch eine nachhaltige Klimapolitik erfordern«. Im »Handelsblatt« hatte sich bereits Achim Wambach, Präsident des Mannheimer ZEW, geäußert: »Ich finde schon lange, dass Romer den Nobelpreis verdient hat.«

In der »Süddeutschen« gibt es noch ein bisschen Hintergrund: »Der sogenannte Wirtschaftsnobelpreis gilt nicht wirklich als Nobelpreis. Er wird nicht vom Nobelpreiskomitee vergeben, sondern von der schwedischen Reichsbank, die ihn einst einführte. Nobel klammerte die Wirtschaft aus, als er die Kategorien für die Nobelpreise festlegte. Die Wirtschaftswissenschaften seien ihm zu weich, zu unpräzise und damit den anderen Kategorien nicht gleichwertig.« Und weiter: »Unter den bisher 78 Ausgezeichneten ist nur eine Frau: Elinor Ostrom. Die Amerikanerin erhielt den Preis 2009 gemeinsam mit ihrem Ehemann für ihre Arbeiten über gemeinschaftliches Eigentum.«

Und beim Sender n-tv heißt es: »Seit der ersten Verleihung 1969 wurden vor allem Ökonomen aus den USA ausgezeichnet. Nur ein Deutscher wurde bisher geehrt: der Bonner Spieltheoretiker Reinhard Selten im Jahr 1994.«

Illustration: Niklas Elmehed für Nobel Media

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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