Wirtschaft
anders denken.

Anders Wohnen

Themen-Newsletter bestellen

Wohnen wird richtig teuer

19.10.2016
Foto: Macus Pink / Flickr CC-BY 2.0 LizenzDer Preis für Bestandswohnungen in Großstädten stieg um 9,4 Prozent gegenüber 2015.

Die Preise für Wohneigentum sind weiter gestiegen, vor allem in den Großstädten, wie eine neue Studie zeigt. Droht eine »Immobilienblase«?

Die Wohnungspreise explodieren. Das zeigt eine Studie des Immobilienverbandes IVD. Der Preisanstieg bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern habe sich im zweiten und dritten Quartal 2016 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum noch beschleunigt, teilte der Verband am Dienstag in Frankfurt mit. Damit setzt sich ein seit 2010 bestehender Verteuerungstrend in erweiterter Eskalationsstufe fort.

Am stärksten stiegen die Preise in Städten mit mehr als 500.000 EinwohnerInnen. Bestandswohnungen mit mittlerem Wohnwert verteuerten sich dort um 9,4 Prozent (gegenüber 7,5 Prozent im Vorjahr), Einfamilienhäuser um 6 Prozent (im Vorjahr: 4,8 Prozent). Bei Wohnungen mit »hohem Wohnwert« stiegen die Preise sogar noch stärker.

Was heißt das für den Mietwohnungsmarkt?

Der Preisanstieg bei Eigentumswohnungen ist auch für all jene Menschen von Bedeutung, die sich nie im Leben eine solche leisten können. Denn je mehr Wohnungen verkauft werden, desto enger wird es auf dem Mietmarkt. Und je mehr Kapital auf der Suche nach Profit in den Immobilienmarkt

strömt, desto wichtiger werden Renditeerwartungen. Hinzu kommt: Auch wenn die Bautätigkeit leicht gestiegen ist, wird seit Jahren zu wenig gebaut – und das, obwohl immer mehr Menschen in die Städte ziehen. In München werden pro Jahr 7.000 neue Wohnungen fertiggestellt; gleichzeitig wächst die Stadt jedes Jahr um 30.000 EinwohnerInnen. Und über den Berliner Mietmarkt schreibt der Stadtsoziologie Andrej Holm: »Den etwa 450.000 pro Jahr in Berlin registrierten Umzügen (Außenwanderung und Binnenumzüge) stehen nur noch etwa 220.000 im Internet leicht zu recherchierende Wohnungsangebote gegenüber.« Vom Elend des komplett vernachlässigten sozialen Wohnungsbaus ganz zu schweigen.

Holms im Sommer veröffentlichte Untersuchung zum Berliner Mietwohnungsmarkt zeigt: Allein in Berlin fehlen 130.000 preisgünstige Wohnungen für GeringverdienerInnen, also Haushalte mit einem Einkommen unterhalb von 80 Prozent des Berliner Durchschnitts.

Warum werden so viele Wohnungen gekauft?

Dass das Angebot an bezahlbaren Mietwohnungen in den Großstädten dramatisch schrumpft, liegt vor allem an einem massiven Zuwachs an Eigentumswohnungen. Woher kommt der Run auf das Wohneigentum? Zum einen daher, dass – diese Aussage mag auf den ersten Blick verwundern – Eigentumswohnungen und Häuser laut IVD trotz der Höhenflüge bei den Preisen erschwinglicher geworden sind. Das heißt: Mehr Menschen können sich die teuren Immobilien leisten. Grund dafür sind vor allem die historisch niedrigen Zinsen. Die machen einerseits Kredite (auch Baukredite) erschwinglicher, andererseits andere Anlageformen wie Bundesanleihen unattraktiver. Wer etwas Vermögen auf der hohen Kante hat, kauft sich also eine Wohnung, ob für den Eigenbedarf oder als Altersvorsorge – sicher ist sicher.

Aber auch die Einkommensspreizung trägt ihren Teil zum Immobilienboom bei. Immer mehr Menschen in Deutschland sind Einkommensmillionäre; allein im letzten Jahr stieg ihre Zahl um gut fünf Prozent. Und auch sie wollen ihr Geld anlegen. Der Kauf von Wohnungen ist eine relativ sichere und vor allem profitable Anlage. Ähnliches gilt für professionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionsfonds und ähnliche. Auch sie treiben gute Renditeaussichten und niedrige Zinsen in den Immobilienmarkt.

Droht eine »Immobilienblase«?

Manche BeobachterInnen warnen schon vor dem Entstehen einer »Immobilienblase«, also davor, dass die Preise immer weiter steigen, KäuferInnen und InvestorInnen riskante Kredite aufnehmen, die sie am Ende nicht mehr bedienen können. Wenn eine solche Blase »platzt«, also Kredite und Zahlungsverpflichtungen ausfallen und die Immobilienpreise schlagartig in den Keller purzeln, kann dies (wie vor zehn Jahren in den USA) eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die auch für die Banken gefährlich werden kann – im schlimmsten Fall mit dramatischen Folgen für die gesamte Wirtschaft.

Doch die niedrigen Zinsen und der insgesamt noch eher geringe Kreditumfang machen eine solche Entwicklung derzeit wenig wahrscheinlich. Sehr viel gefährlicher, zumindest für Menschen mit eher niedrigen Einkommen, ist, dass die Preise weiter steigen wie bisher. Denn sie können sich bald auch einfach so keine Wohnungen in den Innenstädten mehr leisten.

Geschrieben von:

Jan Ole Arps

Journalist

Hinweis

Guter Journalismus ist nicht umsonst…

Die Inhalte auf oxiblog.de sind grundsätzlich kostenlos. Aber auch wir brauchen finanzielle Ressourcen, um oxiblog.de mit journalistischen Inhalten zu füllen. Unterstützen Sie OXI und machen Sie unabhängigen, linken Wirtschaftsjournalismus möglich.

Zahlungsmethode

Betrag