Wirtschaft
anders denken.

ZDF save the Queen: Wie ein öffentlicher Sender Werbung für die Verkaufsmarke »Monarchie« macht

15.05.2018
Cover-Variante der 7″ von God Save The Queen von den Sex Pistols

»Die royale Hochzeit des Jahres am Samstag live im ZDF«, kündigt der Sender sein Programm an. So macht man kostenlose Werbung für die Geldmaschine »Monarchie«. Was hat das mit den »wichtigen gesellschaftlichen Themen« zu tun haben soll, denen sich das Zweite angeblich verpflichtet fühlt?

Ein Standard rechtspopulistischer Empörung ist die ständige Klage über das Öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die Gebühren! Die Fakenews! Alles linksversifft! Nun, das war aus der Perspektive realistischer Weltbetrachtung immer schon so schief, dass man fast drüber lachen könnte. Wäre da nicht die reale Bedrohung des erreichten Standes der Pressefreiheit, die keine vollkommene sein mag, man denke nur beispielsweise an ökonomische Einschränkungen. Aber wer nach Österreich und in die Schweiz blickt, bekommt eine Ahnung, wie schnell aus Diffamierung realer Rückschritt werden könnte. Deshalb gehört auch unbedingt ein Rundfunk verteidigt, der nicht immer das mitteilt, was man selbst denkt.

Das Problem ist: Das wird einem aber verdammt schwer gemacht. Dass sich zum Beispiel das ZDF zur Liveübertragung einer Eheschließung von Adligen bemüßigt fühlt, ist nicht nur unverständlich. »Die zentrale Aufgabe der Berichterstattung des ZDF besteht darin, den Zuschauern eine freie Meinungs- und Urteilsbildung im Hinblick auf alle wichtigen gesellschaftlichen Themen zu ermöglichen«. Nein, wenn ein Henry Charles Albert David of Wales eine Meghan Markle ehelicht, ist das kein wichtiges gesellschaftliches Thema, jedenfalls, wenn man unter »Gesellschaft« nicht dasselbe versteht wie eine Zusammenkunft reicher Leute in seltsamen Klamotten. 

Eine derartige Anziehung

»Dass sich auch die Deutschen für die britischen Blaublüter interessiert spiegelt das TV-Programm wider«, heißt es in einer Fernsehzeitschrift. »Doch warum üben die Royals eine derartige Anziehung aus, dass gleich vier deutschsprachige Sender live vom Ort des Geschehens übertragen? Dazu gibt es viele Thesen.« Was dann vorgetragen wird, läuft auf »Sympathieträger« und »lockere Generation der Royals« hinaus. Gesellschaftlich wichtig ist anderes. Und da sind wir beim Thema.

Das ZDF macht sich mit seiner Adelshuberei zum Werbe-Idioten einer Industrie, die ohne Prinzen, Königinnen, Hochzeiten nicht so gut florieren würde. Die Wahrheit ist: Die Queen und ihr Anhang sind eine Art Firma in britischem Staatsbesitz, die Windsors ein zentraler ökonomischer Faktor, die Monarchie ein Milliardenkonzern. Wir dürfen dazu einen Text zitieren, der im oxiblog.de 2016 anlässlich des 90. Geburtstag der Queen erschienen ist:

Jährlich werden die laufenden Kosten der Monarchie mit rund 220 Millionen Pfund beziffert. Der Buckingham Palace selbst stuft diese zwar deutlich niedriger ein – der Sovereign Grant lag zuletzt bei 37,9 Millionen Pfund und wird unter anderem für Reisen und den Betrieb der königlichen Paläste verwendet. Aber die hohen Kosten für Sicherheitskräfte, für Armee-Zeremonien und viele andere Ausgaben sind darin nicht enthalten. Hier zahlt der Staat. Und dass Einnahmen aus den königlichen Ländereien der Monarchenfamilie zufließen – auch das geht zu Lasten der öffentlichen Hand. Die Queen selbst »verdient« ein Privateinkommen, das 2015 bei rund 16 Millionen Pfund gelegen haben soll; der Privy Purse wird aus der kommerziellen Nutzung von königlichen Ländereien finanziert. Das Gesamtvermögen von Elizabeth II. soll bei rund 340 Millionen Pfund liegen – das entspricht etwa 430 Millionen Euro.

Die königliche Familie ist eine der »wertvollsten britischen Marken«. Die Firma Brand Finance taxierte den Wert der Monarchie 2012 auf 44 Milliarden Pfund – dies sei die Summe, die man erwarten könne, wenn die Londoner InvestmentbankerInnen den Auftrag erhielten, den Königshof zu verkaufen, hieß es damals in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Besser fährt Großbritannien aber, wenn es die Firma Monarchie nicht verkauft. Die Agentur VisitBritain taxierte allein die Einnahmen aus dem regelmäßigen Tourismus, der direkt mit den Royals zu tun hat, auf jährlich etwa 500 Millionen Pfund. Finden irgendwelche Jubiläen statt, steigt die Summe noch. Die Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers rechnete zum Beispiel mit zusätzlichen Tourismuseinnahmen von rund 107 Millionen Pfund im Jahr 2011, in dem die Hochzeit von William und Kate gefeiert wurde. Hinzu kommt der monarchistische Trödel, der über die Ladentheken geht. Königliche Fähnchen, Tassen mit dem Konterfei der beiden und anderes habe nochmal für eine halbe Milliarde Pfund zusätzlicher Einnahmen im Einzelhandel gesorgt.

»The Daily Telegraph« hat die Monarchie einmal als »Goldstandard« bezeichnet, den man erhalten solle – und bei dem man »froh über das Bisschen sein« möge, »das wir für sie zahlen müssen«. Selbst im Jahr des Thronjubiläums machte Großbritannien mit den Windsors nämlich einen Milliardengewinn: Zwar wurden die Kosten für die Feierei seinerzeit auf insgesamt 1,4 Milliarden Pfund geschätzt. Doch volkswirtschaftlich stand dem ein Nutzen gegenüber, den Brand Finance auf 2,4 Milliarden Pfund schätzte.

1,77 Milliarden Pfund für das britische BIP

So weit zur Ökonomie der Monarchie. Der Stand von 2016 ist sicher nicht mehr ganz aktuell, was die Zahlen angeht. Aber im Grunde ist das Gesagte immer noch richtig. Um die Geburt von George Alexander Louis of Cambridge im Jahr 2013 herum sollen »durch Fan-Artikel wie Tassen oder Kinderkleidung« in nur zwei Monaten ein Umsatz von 347 Millionen Euro erwirtschaftet worden sein. Auch hier dürfte Berichterstattung als Werbehilfe gewirkt haben.

Ende 2017 wurde vermeldet, dass die Firma Monarchie 1,77 Milliarden Pfund, was etwa zwei Milliarden Euro entspricht, zur britischen Wirtschaftsleistung beigetragen habe. Das Gutachten von Brand Finance weist für das vergangene Jahr öffentliche Kosten für das Aushalten der Queen und ihrer Familie in Höhe von etwa 293 Millionen Pfund aus. »Insgesamt schätzten die Gutachter den Wert der Monarchie – Besitztümer und immaterieller Wert für die britische Wirtschaft – auf 67,5 Milliarden Pfund«, berichtete Spiegel online. 

Damit das so bleibt, und damit die Geldmaschine »Royals« weiter funktioniert, braucht diese spezielle Branche Werbung. Darum machen sich in diesem Lande Dutzende Zeitschriften verdient. Und zum Höhepunkt des Wirtschaftsjahres gibt es nun Liveübertragungen. 

»Das ZDF ist den im Grundgesetz verankerten demokratischen und rechtsstaatlichen Werten verpflichtet«, kann man auf der Website des Senders lesen. In der Presseankündigung zur Hochzeit liest sich das dann so: »Einer der letzten Single-Prinzen kommt unter die Haube, und eine geschiedene US-Schauspielerin bringt frischen Wind ins britische Königshaus.« Wohl der Monarchie, die im Öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ZDF so einen treuen Werbepartner hat.

Geschrieben von:

Vincent Körner

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