Zu großer Einfluss der Wirtschaft: Wie die Bundesbürger über die Wissenschaft denken
Das Vertrauen in die Wissenschaft bleibt hierzulande stabil – aber viele Menschen reagieren kritisch, weil sie den Einfluss der Wirtschaft auf die Forschung für zu groß halten. Ein Überblick zum Wissenschaftsbarometer 2018.
Die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2018 liegen vor. Zwei Punkte werden von den Auftraggebern unterstrichen: Das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung bleibe stabil. Und: Die Bürger sind von der Gemeinwohlorientierung der Wissenschaft nicht sehr überzeugt.
Das muss man etwas näher erklären: Für das Barometer werden seit 2014 jährlich die Einstellungen gegenüber Wissenschaft und Forschung abgefragt, Auftraggeber ist »Wissenschaft im Dialog«, gefördert wird das Ganze von der Robert Bosch Stiftung und vom Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, die Befragungen führt Kantar Emnid durch.
Die wichtigste Kennziffer: Die Zahl derjenigen, die angeben, dass sie in Wissenschaft und Forschung vertrauen, liegt bei 54 Prozent – 2017 waren es 50 Prozent. 39 Prozent zeigten sich bei der Frage unentschieden, sieben Prozent (2017: zwölf Prozent) sagten, dass sie nicht oder eher nicht in Wissenschaft und Forschung vertrauen.
Nun sind 54 Prozent nicht eben besonders viel. Die Frage ist also, warum »nur« knapp über die Hälfte der Bundesbürger der Wissenschaft trauen. Eine Erklärung führt zum Verhältnis von Forschung zur Wirtschaft. Denn auch das ergab die Umfrage: Zwar halten drei Viertel der Menschen eine Orientierung am Gemeinwohl für eine der »Eigenschaften, die ein guter Wissenschaftler oder eine gute Wissenschaftlerin mitbringen muss«. Aber »nur 40 Prozent der Befragten (sind) der Auffassung, dass Wissenschaftler tatsächlich zum Wohl der Gesellschaft forschen, 46 Prozent sind unentschlossen«, wie es zu den Ergebnissen heißt.
Woher kommt das Misstrauen? »Der bedeutendste Grund, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu misstrauen, ist nach Einschätzung der Befragten die Abhängigkeit von Geldgebern«, so die Studienauftraggeber. 69 Prozent halten zudem den Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft für zu groß. Dies vor dem Hintergrund, dass für vier von fünf Bundesbürgern gute Wissenschaft auch heißt, »sich nicht von Interessen Dritter leiten zu lassen«.
Man kann hier eine relativ große Ablehnung einer auf ökonomische Erfolgskriterien oder auf unternehmerische Interessen ausgerichtete Wissenschaft vermuten.
Interessante Details zeigen sich bei einem genaueren Blick auf die Daten. So sind zwar über alle Anhänger der im Bundestag vertretenen Parteien die jeweiligen Gruppen sehr groß, die den Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft als viel zu groß oder eher zu groß bezeichnen. Unter den Wählern der Union sagen aber immerhin 15 Prozent, der Einfluss sei eher oder viel zu gering. Dieses Bild finden wir auch bei der Anhängerschaft der rechtsradikalen AfD – hier sagen 16 Prozent, der Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft sei eher oder viel zu gering.
Interessant ist auch, dass in der Umfrage vor allem die Menschen, die in Haushalten mit kleineren Einkommen leben, den Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft für zu gering halten – in der Gruppe derer mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 1.000 bis 1.500 Euro sind es sogar über ein Viertel. Überdurchschnittlich hohe Zustimmung zu den Aussagen, der Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft sei eher oder viel zu gering, findet man in den älteren Jahrgängen über 60, bei Frauen und bei Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen.
Uta-Micaela Dürig, die stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, sagt, »wenn ein großer Teil der Menschen nicht überzeugt ist, dass Wissenschaftler ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, dann steckt in diesem Ergebnis ein Auftrag an die Wissenschaftsgemeinde«.
Das ist sicher richtig, sollte aber nicht von der Frage ablenken, nach welchen Kriterien überhaupt Wissenschaft gefördert, betrieben, finanziert wird. Das ist nicht nur eine Frage der akademischen Gemeinde, sondern eine staatliche und gesellschaftspolitische. Wer nicht möchte, dass Drittmittelorientierung oder Abhängigkeit von privatem Geld auf die Forschung durchschlägt, muss sich für eine entsprechende öffentliche Finanzierung stark machen. Das führt dann bis zur Frage nach einer angemessenen Bezahlung aller im Wissenschaftsbetrieb und sicheren Arbeitsbedingungen.
Die Studie zeigt immerhin, dass ein »steigendes Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, wie es immer wieder angedeutet wird«, aus dem Wissenschaftsbarometer nicht abzulesen ist. Das kann man positiv sehen – in Zeiten, in denen Stimmen immer mehr Raum bekommen, die auf voraufklärerische Positionen setzen oder die Forschungsergebnisse in Sachen Klimawandel, Impfen oder Evolution bestreiten, wächst jedenfalls nicht die Gruppe derer, die solchen Denkweisen anhängen.
Genauer: Nur sechs Prozent der Befragten sind nicht der Meinung, »dass der Klimawandel hauptsächlich durch die Menschen und ihr Handeln verursacht wird«. Nur sieben Prozent »stimmen nicht zu, dass Menschen und Tiere gemeinsame Vorfahren haben, aus denen sie sich im Laufe der Evolution entwickelt haben«. In Sachen Impfen sind es allerdings schon 13 Prozent, die überwiegend keinen Nutzen sehen – und damit der Propaganda der Impfskeptiker auf den Leim gehen.
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