Wirtschaft
anders denken.

Zufriedenheit mit dem Job? Über die Wirkung der Zahl 89 und die Realität, die sie verdeckt

30.04.2018
Larsinio / Public Domain

Die überwiegende Mehrheit der Erwerbstätigen ist zufrieden mit ihrem Job, meldet das Statistische Bundesamt. Aber was heißt das überhaupt: Zufriedenheit? Und warum wird sowas vor dem 1. Mai vermeldet? Es ist schlauer, auf den DGB-Index »Gute Arbeit« zu blicken: Der zeichnet auch ein anderes Bild der Meinungen von Beschäftigten über ihre Jobs und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten.

»Mit 89 Prozent ist die überwiegende Mehrheit der Erwerbstätigen in Deutschland mit ihrer Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden«, meldet das Statistische Bundesamt. Dass ein Drittel in einer Zusatzbefragung der Arbeitskräfteerhebung 2017 angaben, mit ihrem Job »sehr zufrieden« zu sein, hat es sogar in die Überschrift der Pressemitteilung geschafft. Die Untersuchung habe kaum Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen Selbstständigen und abhängig Beschäftigten gezeigt, »auch beim Vergleich von Männern und Frauen (je 89 Prozent) oder über Altersgruppen hinweg waren die Anteile ähnlich hoch«. Also alles in Ordnung auf im Lohnarbeitssektor?

Dazu ein Blick auf die weniger oder unzufriedenen Beschäftigten: Die Bundesstatistiker geben ihren Anteil insgesamt mit 11 Prozent an. Im Osten liegt er erkennbar über dem im Westen. Wer einen akademischen Berufe ausübt oder in der Chefetage arbeitet, ist eher »sehr zufrieden« als die Beschäftigten in handwerklichen Berufen, bei der Bedienung von Maschinen oder unter Hilfskräften.

Warum das Statistische Bundesamt diese Zahlen »anlässlich des Internationalen Tages der Arbeit am 1. Mai mitteilt«, könnte zu dem Gedanken einladen, hier solle empirisch vor dem wichtigsten politischen Symboldatum der Gewerkschaften ein Zustand der Arbeitswelt »belegt« werden, gegen den dann eigentlich nicht mehr demonstriert werden müsste.

Man könnte sich zudem fragen, was das eigentlich heißt, mit der Arbeit zufrieden zu sein? Laut Bedeutungswörterbuch ist zufrieden, wer innerlich ausgeglichen ist, nichts anderes verlangt, als er schon hat, oder wer mit den gegebenen Verhältnissen, Leistungen und so weiter einverstanden ist, also daran nichts auszusetzen hat. So sehen zufriedene Beschäftigte aus Sicht der Unternehmen aus.

Und aus Sicht der Beschäftigten? Geht es darum, überhaupt eine Stelle zu haben? Dann wäre Zufriedenheit lediglich ein Maß dafür, nicht außerhalb der Lohnarbeitsmühle stehen zu müssen. Hängt die Zufriedenheit vor allem am Einkommen? Was spielen Belastung, Gestaltungsmöglichkeiten, Gesundheit für eine Rolle? Und wie passt zum Beispiel die oben geschilderten Zufriedenheit dazu, dass unlängst 67 Prozent der Beschäftigten in einer DGB-Befragung angaben, »dass sie im vorangegangenen Jahr auch dann zur Arbeit gegangen sind, ›obwohl sie sich richtig krank gefühlt haben‹. Lediglich ein Drittel hat dies nicht getan«?

Eine etwas ausführlichere Bearbeitung der Frage, wie man es mit der Lohnarbeit hält, ermöglicht der DGB-Indes »Gute Arbeit«. Die ausführliche Frageliste ermöglicht es auch, widersprüchliche Sichten den eigenen Job betreffend zu veranschaulichen, etwa wenn Beschäftigte mit dem Einkommen zufrieden sind, aber nicht mit dem einhergehenden Stress oder der Gesundheitsbelastung. Sonderauswertungen etwa über »Arbeitsbedingte Belastungen« oder die Folgen der Intensivierung im Zuge der so genannten Digitalisierung finden sich hier auch.

Zum Vergleich mit den zahlen der Bundesstatistiker nur ein paar Schlaglichter aus dem jüngsten Report: 16 Prozent identifizieren sich gar nicht oder wenig mit ihrem Job. 15 Prozent erledigen oft oder sehr häufig außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit unbezahlte Arbeit für den Betrieb. 28 Prozent geben an, ihre Lohnarbeit verlange es, »dass sie ihre Gefühle verbergen«. 48 Prozent sagen, sie fühlten sich oft oder sehr häufig »bei der Arbeit gehetzt oder stehen unter Zeitdruck«. 46 Prozent meinen, ihr Einkommen sei gar nicht oder nur in geringem Maße ihrer Leistung angemessen.  

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