Wirtschaft
anders denken.

Finanzmarktkrise und Philanthrokapitalismus: zur neuen Ausgabe von »Momentum Quarterly«

07.10.2017
Skeeze / Pixabay

Wie verlief der Weg in die Finanzmarktkrise? Welche Strategie verfolgt der Philanthrokapitalismus? Was passiert in selbstorganisierenden Firmen? Und wie wirkt sich Lernen auf die Ideologieproduktion aus? Ein Blick in die neue Ausgabe von »Momentum Quarterly«.

Über den Weg in die Finanzkrise ist schon jede Menge veröffentlicht worden, auch darüber, welche Rolle die massive Deregulierung dabei spielte. Wie diese selbst in den herrschenden Ordnungsrahmen eingebettet ist, welche Marksteine es seit der Neuordnung des internationalen Finanzsystems in Bretton Woods 1944 gab und wie die Beschädigung der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik durch die die Erdölkrise wirkte – das hat Stefan Schiman für die aktuelle Ausgabe der österreichischen »Momentum Quarterly« nun präzise zusammengefasst. »Wie die Finanzmarktkrise nur im Kontext der Deregulierung zu verstehen ist, kann der Prozess der Deregulierung selbst nur vor dem Hintergrund der Finanzmarktregulierung und des sie umgebenden Ordnungsrahmens verstanden werden.«

Schiman beginnt seine Spurensuche bei den Finanzmarktreformen des New Deal und beschreibt den Übergang vom keynesianischen zum neoliberalen Paradigma in den 1970er Jahren, »der in den Prozess der kompetitiven Deregulierung ab den 1980er Jahren mündete«. Schließlich zeigt er, »dass sich durch die zunehmende Entfesselung der Finanzmärkte riesige Finanzkonglomerate bildeten, deren Transaktionen und Finanzinnovationen aufs Engste miteinander verwoben waren und die sich schließlich im Epizentrum der Finanzmarktkrise 2007/08 wiederfanden«.

Momentum Quarterly ist eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift, die sich nach eigenen Angaben »Fragen des sozialen Fortschritts auf interdisziplinärer Basis widmet«. Die Zeitschrift ist ein Ableger des Momentum Kongresses, zu dem sich jeden Herbst im österreichischen Hallstatt WissenschaftlerInnen, politisch Engagierte und Studierende treffen – um über Alternativen zu beraten. »Wissenschaft, Politik und Praxis verbinden und verändern – das ist das Ziel von Momentum.« Dieses Jahr startet der Kongress am 19. Oktober, es ist bereits die zehnte Ausgabe,s ie steht im Zeichen des Generalthemas »Vielfalt«.

In der aktuellen Ausgabe von »Momentum Quarterly« finden sich eine »theoretische wie empirische Analyse der ›selbstorganisierenden‹ Firma, basierend auf der Marx’schen Analyse des Arbeitsprozesses« – ein Text von Benjamin Ferschli, der für Gewerkschaften und andere Formen der Selbstorganisierung der Beschäftigten interessante Aspekte von Kontrolle und Selbstkontrolle beschreibt. Michael Brandmayr »beschreibt einige zentrale Überlegungen, unter welchen Voraussetzungen schulische Praktiken als Ideologien beschrieben werden können und in welchem Maße die Schule an der ideologischen Reproduktion der Gesellschaft beteiligt ist« – ein Text, der nicht zuletzt am Ideologiebegriff von Marx und Althusser anknüpft und diese »als wesentlich durch Praktiken vermittelt«, das heißt, »in der Schule besonders durch die Praktik des Lernens« geprägte Wahrnehmungs- und Interpretationsweisen versteht, die Subjektivierungsvorgänge anleiten.

Im vierten Beitrag der aktuellen Ausgabe wendet sich Kerstin Plank Aspekten des Konzeptes »Philanthrokapitalismus« zu und blickt hinter das karitative Engagement nordamerikanischer Milliardäre. Es geht um die Strategien, »durch die diese mithilfe von Stiftungen Macht ausüben können«. Und um einen entscheidenden Punkt: Der private Wohltätigkeitssektor kann nur solange existieren (und also diese Machtstrategien verfolgen), solange die Probleme, die er zu lösen verspricht, eben nicht gelöst sind. Philanthropie hänge »davon ab, dass die soziale Hierarchie reproduziert wird und die Kluft zwischen Arm und Reich gewahrt bleibt«, schreibt Plank. Philanthropie ist so gesehen gesellschaftlich wirksamer Profit aus Ungleichheit. Plank sieht Philanthrokapitalismus denn auch »als Investition«.

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